«Es ist schlimm», urteilt Tobia Bezzola, Präsident des Schweizer Verbandes der Museumsfachleute ICOM. Zwar gebe es noch keine belastbaren Zahlen, aber von seinen Kolleginnen und Kollegen höre er von 50 bis 80 Prozent Einbruch der Besucherfrequenzen. Die Schliessung der Museen bis Anfang Mai hat Spuren hinterlassen.
Lange Warteschlange für Corona-Kompensation
Claudia Rütsche ist Direktorin des Kulturama in Zürich. Das kleine Wissenschaftsmuseum wird zu einem grossen Teil privat finanziert und dieses Jahr wohl mit einem Defizit abschliessen.
Die Höhe des Defizits ist noch ungewiss, denn ihr Antrag auf Corona-Kompensation beim Kanton Zürich läuft noch. Zeitpunkt der Entscheidung: ungewiss. Es fühle sich an wie ein Blindflug, sagt Rütsche.
«Das Budget 2020 ist so unsicher wie noch kein Budget, das ich jemals erlebt habe.» Feststeht für das Wissenschaftsmuseum, dass die mögliche Entschädigung nicht den ganzen Verlust ausgleichen kann.
Sparplan: Absagen und Zurückhaltung
Deshalb spart das Kulturama. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gingen in Kurzarbeit. Eine geplante Ausstellung im Herbst sagte Rütsche ab. Auch mit der Planung zukünftiger Projekte hält sie sich zurück. Einmal lasse sich ein solches Defizit irgendwie verkraften, danach werde es kritisch.
«Am meisten Sorgen bereitet mir aber, dass die Situation anhalten könnte», sagt Rütsche. Einmal lasse sich ein solches Defizit irgendwie verkraften. Danach werde es kritisch, sagt Rütsche: «Sollte sich die Corona-Situation wieder verschärfen, dann müssen eventuell Stellen gestrichen werden.»
Drei Faktoren fürs Überleben
Mit diesen Problemen ist das Kulturama nicht allein. «Wie schlimm es um ein Museum steht, hängt von drei Faktoren ab», weiss Tobia Bezzola.
Erster Faktor sei der Standort und inwieweit dieser vom Virus betroffen sei. Weiter spielt die Art der Finanzierung des Museums eine Rolle.
Nach seiner Einschätzung wären vor allem kleinere Museen in ihrer Existenz bedroht, wenn die Coronakrise noch länger anhalten sollte. Diese müssen häufig einen Grossteil der Kosten selbst tragen. Dritter Faktor ist der Anteil überregionaler Besucher.
Weniger Veranstaltungen, weniger Geld
Davon ist Bezzola, der auch Direktor des Museo d'arte della Svizzera Italiana MASI ist, selbst betroffen: «Ein Grossteil unserer Besucher kommt von weither oder aus dem Ausland.»
Auch können im Tessin keine Vernissagen oder exklusiven Veranstaltungen für Sponsoren stattfinden. Dadurch gehen dem Museum zusätzliche Einnahmen verloren.
Die öffentlichen Gelder entspannen die Lage
Das MASI wird aber trotzdem über die Runden kommen. Wie viele andere Museen wird es durch öffentliche Gelder finanziert. Das MASI wird zum grössten Teil vom Kanton Tessin und der Stadt Lugano getragen.
Die Finanzierung aus der öffentlichen Hand garantiert keine Sicherheit. Das zeigt die Situation beim Naturmuseum St. Gallen. Dort werden drei Viertel der Kosten von der Stadt getragen. Und obwohl das Museum in den vergangenen drei Jahren Gewinn gemacht und Rücklagen gebildet hat, sorgt sich Direktor Toni Bürgin um die Zukunft: «Wenn sich die Lage verschärfen würde, dann kämen wir in Probleme. Wir können nicht jedes Jahr Mittel aus der Reserve nehmen, um krisenbedingte Löcher zu stopfen.»
Sollte sich die Coronasituation verschlechtern, muss nach weiteren Sparmöglichkeiten gesucht werden. Auch das kulturelle Angebot würde weiter eingeschränkt. Den Museumsleuten bleibt nur zu hoffen, dass es dazu nicht kommen wird.