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Corona und Restaurants Gastroexperte: «Die Hilfe funktioniert nur auf dem Papier»

Restaurants sind Corona-bedingt geschlossen. Wie geht es Gastronomen und wie geht es weiter? Gastrojournalist Martin Jenni erzählt, wie Restaurants ums Überleben kämpfen und wie sich Restaurantbesuche nach der Öffnung verändern werden.

Martin Jenni

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Martin Jenni ist Journalist, der für verschiedene Printmedien schreibt, und Buchautor. In seinem letzten Werk «Aufgegabelt» hat er gastronomische Schätze der Schweiz gesammelt. Der Basler zählt zu den bekanntesten Restaurantkennern der Schweiz.

SRF: Wie geht es der Gastronomie in der Schweiz?

Martin Jenni: Es geht ihr sehr schlecht. Vielen ist gar nicht bewusst, was das heisst, zweimal in Folge schliessen zu müssen. Neben dem Aspekt, dass wichtige soziale Treffpunkte wegfallen, ist das vor allem ein finanzielles Desaster.

Im Frühling wird es viele dramatische Situationen geben: Auch sehr gute Lokale, müssen vielleicht schliessen, wenn sie nicht die notwendige finanzielle Unterstützung bekommen.

Mögliche Verlängerung der Restaurantschliessung

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Der Bundesrat will den jetzigen Shutdown verlängern . Er schlägt den Kantonen vor, die Schliessung der Restaurants sowie der Kultur-, Sport- und Freizeitanlagen bis Ende Februar zu verlängern. Der definitive Entscheid fällt am 13. Januar.

Wie gehen Wirtinnen und Wirte mit dieser existenziell schwierigen Situation um?

Viele Gastronomen sind unverbesserliche Optimisten, sonst gäbe es sie gar nicht. Viele haben jetzt Ideen. Aber mit Take-away ist es allein nicht getan. Das ist vor allem eine Dienstleistung für Stammkunden, eine Visitenkarte für das Restaurant und finanziell eine Nullnummer, wenn es gut geht.

Welche Möglichkeiten gibt es, der Gastronomie zu helfen? Was können Kantone und Staat machen?

Die Restaurants wieder öffnen. Man steckt sich mit Covid-19 nicht im Restaurant an. Viele Restaurants haben sehr viel Geld in die Schutzmassnahmen investiert, Ideen und Konzepte ausgearbeitet. Und nun, nachdem sie das mit grosser Sorgfalt und Kreativität umgesetzt haben, wird ihnen gesagt: «Ihr müsst wieder schliessen.»

Restaurants erfüllen eine soziale Aufgabe in der Gesellschaft.

Politik und Wirtschaft müssen handeln, damit die Restaurants, die ja auch eine soziale Aufgabe in der Gesellschaft übernehmen, unterstützt werden. Auch bei Hausbesitzern sollte ein Umdenken stattfinden: Es gibt Gastwirte, die bezahlen 24'000 Franken Pacht im Monat. Das ist absurd und im Moment nicht zu leisten.

Wer selber Besitzer seines Restaurants ist, im Idealfall einen Familienbetrieb führt, hat es etwas leichter, aber auch da wird es langsam schwierig.

Für die Zeit, in der die Restaurants geschlossen sind, soll es vom Staat Ausfallentschädigung geben. Funktioniert diese Hilfe?

Die Hilfe funktioniert auf dem Papier. Aber diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, haben noch kein Geld erhalten. Das muss nun schnell gehen, denn wenn es schon zu spät ist, braucht es auch kein Geld mehr.

Wenn die Restaurants mit allen nötigen Schutzmassnahmen wieder offen sind: Wie verändert die Corona-Pandemie einen Restaurantbesuch?

Die langen Tafeln fehlen – auch essen gehen mit grossen Freundesgruppen oder Familien ist nicht möglich. Eine «Metzgete» am Vierertisch zu zelebrieren, ist nicht das Gleiche wie an der langen Tafel mit zwölf Freunden, wo man alles teilt und opulent isst. Auch der direkte Austausch, der Kontakt mit fremden Personen, das Gespräch über den Tisch, der Stammtisch: Das alles fehlt.

Der Stammtisch, die langen Tafeln und der Kontakt mit Fremden fehlt.

Jetzt, während der Pandemie ins Restaurant zu gehen, sofern sie offen sind, heisst: Man sitzt nur im kleinen Rahmen und es geht vornehmlich ums Essen. Die Spontanität geht grösstenteils verloren. Man plant nun einen Restaurantbesuch sorgfältig. Das hat sich gegenüber früher komplett verändert.

Das Gespräch führte Brigitte Häring.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 06.01.2021, 09:03 Uhr ; 

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