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Debatte um Termin Für die Ostkirche wird das Osterfest zum Politikum

Einige Gläubige in der Ukraine wollen Ostern am 9. April feiern – so wie der Westen. Damit grenzen sie sich demonstrativ von Moskau ab. Orthodox korrekt ist das jedoch nicht.

Die orthodoxen Ostkirchen – ausgenommen die finnischen – berechnen ihr Osterdatum nach dem alten julianischen Kalender. Darum fällt ihr Ostern 2023 auf den 16. April. Wenn sich jetzt orthodoxe Gläubige in der Ukraine am westlichen Osterdatum orientieren, scheren sie damit aus der orthodoxen Welt aus.

Ein Zeichen gegen Putin und Kyrill

Ostern am westlichen Datum zu feiern, ist nicht orthodox, sondern politisch motiviert. Sie zeigen damit ihre Nähe zum Westen. Und sie demonstrieren ihre Distanz zu Russland und zur russisch-orthodoxen Kirche.

Denn der Moskauer Patriarch Kyrill I. ist als Putin-Unterstützer bekannt. In Predigten erklärte er Putins Angriffskrieg für legitim. In der Ukraine müsse die Wiege der russischen Orthodoxie verteidigt werden, sagt Kyrill.

Ein Mann mit Anzug und Krawatte spricht mit einem Mann, der einen weisses Gewand sowie Hut mit Heiligenmotiven trägt.
Legende: Brüder im Geiste: Kyrill I. bezeichnet Putin als «Wunder Gottes» und rechtfertigt die Ukraine-Invasion als heiligen Krieg. Getty Images / Mikhail Svetlov

Doch nicht der Moskauer Patriarch gibt das östliche Osterdatum vor. Fast alle Ostkirchen feiern Ostern heuer am 16. April, so auch die griechisch-, bulgarisch- und rumänisch-orthodoxe Kirche. Es sind all jene Kirchen, die zum ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel gehören, dem ehemaligen Ost-Rom.

Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel

Aus dieser Ostkirchen-Ökumene ist Patriarch Kyrill bereits 2019 ausgeschert. Er wollte nicht akzeptieren, dass die orthodoxe Kirche in der Ukraine (kurz OKU), die volle Unabhängigkeit erhält. Die Ukraine betrachtet er – zumindest in Teilen – als sein ureigenes Kirchengebiet. Das verneinen die OKU wie auch andere orthodoxe Kirchen.

Ein alter Mann mit weissem Backenbart trägt einen mit Intarsien bestickten Hut; er hält Kerzen in der Hand.
Legende: Hält nicht nur die Kerzen in der Hand, sondern auch die Zügel «seiner» Kirche: der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. Keystone / AP / Alexander Zemlianichenko

So kam es zur Kirchenspaltung zwischen dem Moskauer Patriarchat und Primas der Ostkirchen, dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Ein sogenanntes Schisma.

Neben dieser OKU gibt es in der Ukraine aber noch die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche UOK: Sie fühlt sich weiterhin dem Moskauer Patriarchat zugehörig.

Kirche zwischen den Fronten

Die UOK steht seit der Krim-Annexion und noch mehr seit Kriegsbeginn unter scharfer Beobachtung des Staates. Die UOK distanzierte sich zwar mehrfach von Kyrill und bekannte sich zur Ukraine. Aber ihre vermeintliche oder tatsächliche Moskaunähe setzt sie Kritik und Restriktionen aus.

So sollte die UOK auf staatlichen Befehl das Kiewer Höhlenkloster Lavra bis Ende März räumen. Doch die Mönche protestieren und verharren dort. Die Lavra ist für sie ein heiliges Areal. Um die Gemeinschaft in der Lavra zu schützen, griff sogar der Weltkirchenrat ÖRK ein.

Neukalendarier und Altkalendarier

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1923 entschieden einige Ostkirchen, Weihnachten nach dem westlichen Kalender zu feiern, also am 25.12. Sie heissen darum «Neukalendarier». Sie wollten sich damit an den global gültigen (gregorianischen) Kalender anschliessen. Ausserdem ging es um Annäherung an die Westkirchen, vor allem an die römisch-katholische Kirche.

Neukalendarierinnen sind die orthodoxen Kirchen Griechenlands, Rumäniens, Bulgariens, Alexandrias (Nordägypten) und Antiochias (Türkei/Syrien).

Bei Ostern jedoch, dem wichtigsten christlichen Fest, hielten sie am alten Datum fest (mit Ausnahme der finnisch-orthodoxen Kirche).

Mit dem «altkalendarischen» Osterdatum wollten die Neukalendarier die Einheit der Orthodoxie aufrecht erhalten. Gleichzeitig drückten sie ihre Hoffnung aus, dass die «Altkalendarier» dereinst nachfolgen würden. Doch das geschah nicht.

Die Orthodoxen in Russland, Serbien, Georgien und Mazedonien feiern und fasten weiter nach dem julianischen Kalender.

Der Fall zeigt, wie sehr die orthodoxen Kirchen politisch instrumentalisiert werden, und zwar auf beiden Seiten und von beiden Seiten. Das wird zu Ostern nicht anders.

Ostern nicht am selben Tag zu feiern, würde das orthodoxe Selbstverständnis stören, letztlich doch eine orthodoxe Kirche zu sein. Ihre Einheit muss an Ostern deutlich werden. Alles andere schmerzt orthodoxe Gläubige. Darum dürfte kein orthodoxer Patriarch – egal welcher Seite – das Feiern am anderen Termin gut heissen.

Radio SRF 2 Kultur, Karfreitagsgottesdienst, 7.4.2023, 10:00 Uhr

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