- Vor 80 Jahren strahlt BBC zum ersten Mal eine Kochsendung aus – es ist die weltweit erste TV-Sendung dieser Art.
- Das Format ist nicht für die grosse Masse vorgesehen. Nur die Upper Class kann sich damals einen Fernseher leisten.
- Dementsprechend nobel französisch kocht Marcel Boulestin – allerdings kein professioneller Koch, sondern ein einstiger Bohémien.
«Es ist nicht wirklich schwierig, eine gute Omelette zuzubereiten», findet der weltweit erste Fernsehkoch Marcel Boulestin: Ein bisschen Übung und eine sehr heisse Pfanne – viel mehr brauche es nicht.
Mit einer Omelette startet Boulestin am 21. Januar 1937 seine Fernsehkarriere bei der BBC. «The Cook’s Night Out» heisst die Show. Darin präsentiert Boulestin fortan Gerichte wie Seezunge, Salat oder Crêpes Flambées.
Alles Französische gilt als nobel
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Dass der erste Fernsehkoch in Grossbritannien ausgerechnet ein Franzose ist, mag verwundern. Tatsächlich sei diese Wahl nur folgerichtig, sagt Kulinarikexperte Peter Peter, der an den Universitäten Salzburg und Pollenzo Gastrosophie lehrt: «Die britische Upper Class fand alles Französische absolut nobel und schick.»
Kochshow für Lords und Ladies
Die französische Küche dient den reichen und schönen Briten damals als Distinktionsmerkmal. Und an genau diese Upper Class richtet sich die erste Fernsehkochshow der Welt: Schliesslich ist das BBC-Fernsehen Anfang 1937 seit gerade einmal zwei Monaten auf Sendung, Fernsehgeräte kosten teilweise so viel wie ein Auto. Die neue Technik können sich nur Wohlhabende leisten.
Heute sind Fernsehköche Teil der Populärkultur. Damals sei das völlig anders gewesen, sagt Peter Peter: Das zeige auch der Titel der Sendung «The Cook’s Night Out», «Der Koch hat Ausgang». Im Klartext, sagt Peter Peter, bedeutete das: «Der Lord musste selbst kochen.»
Ein einstiger Bohémien
Marcel Boulestin zeigt den Oberen der Gesellschaft also, wie sie ihre Omelette brutzeln müssen – dabei ist er selbst gar kein professioneller Koch. Mit Anfang 20 führt er in Paris ein Künstlerleben. Er arbeitet als Ghostwriter und ist mit Berühmtheiten wie der Schriftstellerin Colette befreundet.
Als er 1908 nach London übersiedelt, schreibt er einen Roman und Kolumnen für diverse Zeitungen. Später eröffnet er ein Geschäft für Innenausstattung, entwirft Lampenschirme und kennt schon bald die halbe Stadt.
Das schickste Restaurant Londons
Der Durchbruch kommt 1923: Im Juni erscheint sein erstes Kochbuch – ein Renner, der in den folgenden Jahren mehrmals aufgelegt wird. Endgültig zum Star der Londoner Gesellschaft avanciert er 1927. Damals eröffnet er nahe der Oper das «Boulestin».
Schnell entwickelt sich das elegante Restaurant zum Lieblingstreff der britischen Bohème. Der Fotograf Cecil Beaton preist das Lokal als das «schönste Restaurant Londons» – in jedem Fall ist es das teuerste.
Der Glanz vergangener Tage
Marcel Boulestin arbeitet zwei Jahre lang für die BBC – von 1937 bis 1939. Er stirbt 1943 im besetzten Paris. Die Erinnerung an den grossen französischen Feinschmecker und ersten Fernsehkoch aber lebt: Seit ein paar Jahren gibt es in London wieder ein elegantes Restaurant mit dem Namen Boulestin. Omelette steht übrigens auch dort auf der Speisekarte.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 20.01.2017, 8.20 Uhr