Es war einmal ein Geigenbauer aus dem norditalienischen Cremona, der Geburtsstätte der weltberühmten Stradivari- und Guarneri-Geigen, der sich auf die Suche nach dem Holz für seine nächste Geige machte. Sein Ziel: einmal im Leben eine so vollkommene Geige zu erschaffen, wie Antonio Stradivari vor 300 Jahren. Er sucht Jahre nach dem «Baum seines Lebens». Und als er dann vor ihm steht, da bringt er es nicht übers Herz, den mächtigen, 300 Jahre alten Baum zu fällen.
Diese Szenen aus dem Dokumentarfilm «Klangholz für die perfekte Violine – Gaspars abenteuerliche Suche» klingen wie ein Märchen. Aber sie sind wahr und ein Sinnbild für die Suche nach dem Sinn im Leben. Klar, nicht jeder von uns kann sich eine Meistergeige bauen. Aber wir alle tragen eine Ahnung in uns, welche «Meistergeige» unserem Leben Sinn geben könnte.
Sinn im schöpferischen Moment
«Es gibt verschiedene Arten von Sinn, die uns durchs Leben tragen», sagt Christian Uhle, Autor von «Wozu das alles?». Ein spielerischer Sinn etwa entstehe, wenn wir uns selbstzweckhaft einer Sache hingeben, wenn wir also Tätigkeiten nachgehen, die nicht für irgendetwas gut sind, sondern die ihren Sinn bereits in sich tragen. Es ist eine Haltung, die wir alle als Kinder mit auf den Weg bekommen, aber im Laufe der Zeit verlernen.
Es geht darum, sich spielerisch und interessiert der Welt zuzuwenden, um in einem schöpferischen Moment etwas entstehen zu lassen. Wenn wir wandern gehen, Filme schauen, aber auch, wenn wir ein Bild malen. Dahinter steckt dann zwar das Ziel, am Ende ein fertiges Bild zu haben. Aber es gehe nicht darum, dort möglichst schnell und effizient anzukommen.
«Sinn ist aber auch der Boden, auf dem wir durch das Leben gehen.» Und zu diesem Sinn gehört auch Selbstwirksamkeit. Wir Menschen hätten ein angeborenes Bedürfnis, etwas in der Welt zu bewegen, einen Unterschied zu machen und in der Welt unsere Energie auf etwas zu richten, was diese auch wert sei.
Die Psychologin Tatjana Schnell spricht in ihrem Buch «Sinn finden» von Generativität, von einer Lebenshaltung, etwas von bleibendem Wert tun oder schaffen zu wollen. Diese bezeichnet sie über Generationen und Ländergrenzen hinweg als den grössten Sinnstifter.
Glück als ultimativer Lebenssinn?
Ein glückliches Leben sei natürlich wünschenswert, so Uhle, Glück habe aber keinen zweckhaften Sinn. Das, was uns im Leben Sinn gibt, bringe uns manchmal dazu, das eigene Glück hinten anzustellen. Wir tun, was getan werden muss, man wird gebraucht, man hat ein Wozu. Das, was uns Sinn gibt, was wir für wertvoll und wichtig halten, kann uns mit Leidenschaft erfüllen, mit purem Glück.
Es gibt aber auch Gründe, weiterzumachen, notfalls mit Schweiss und Tränen. Und dann gehen Glück und Sinn nicht immer Hand in Hand. Die einzige Möglichkeit, etwas zu tun, das einen Wert ausserhalb unseres Selbst hat, liegt laut Uhle darin, etwas zu tun, das auch für andere einen Wert hat.
Ja, und wie ging denn eigentlich nun die Geschichte des italienischen Geigenbauers Gaspar aus? Er fand einen noch schöneren Baum, der bereits gefällt war, und baute seine Geige. Nach getaner Arbeit erfüllte er sich seinen Lebenstraum: Er lauschte den Klängen, die eine Geigerin der von ihm geschaffenen Geige entlockte. Er weinte, vor Glück. Gaspar hatte etwas für die Ewigkeit geschaffen und die Musik seiner Geige – die berührt die Menschen bis heute.