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Design Preis für Fischersatz Aubergine statt Oktopus: Food Design serviert den Kompromiss

Politisch ist die Sache klar: Die Wurst muss eine Wurst sein. Doch Essens-Design kann neue Überzeugungen schaffen. Schweizer Köche zeigen, wie das gelingen kann – mit kreativem Küchen-Aktivismus.

Grillt man eine rohe Aubergine im Ofen, wandelt sich das cremefarbene Fruchtfleisch in eine goldbraune Masse. Als sich Aris Guzman das weiche Gewebe genauer anschaut, entdeckt sie Tentakel, im verkohlten Stiel erkennt sie einen Kopf. «Sea Monster» nennt die Zürcher Köchin ihren veganen «Oktopus».

Das Rezept ist Teil eines Kochbuchs und einer Kampagne, die sie «Sea Flavor» taufte und mit der sie kürzlich den Design Preis Schweiz in der Kategorie Food Design gewann.

Dass pflanzenbasierte Esskampagnen für ihre Gestaltung gefeiert werden, erzählt viel darüber, wie sich unsere Wirklichkeit verändert.

Kategorie Food Design beim Design Preis Schweiz

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Food Design ist eine der neueren Kategorie beim Design Preis Schweiz, der kürzlich verliehen wurde. Die Köchin Aris Guzman ist mit ihrem Projekt «Sea Flavors» die diesjährige Gewinnerin. Die Jury begründet ihre Entscheidung damit, dass das Projekt für Ozeanschutz sensibilisiert und zu nachhaltigem Genuss inspiriert: Kulinarik werde hier Medium für Klimabewusstsein. Ein Film und ein E‑Book machen dieses Wissen zugänglich.

Was ist Food Design?

Food Design verbindet Kulinarik, Kreativität und Kommunikation. Der Begriff steht für die Entwicklung neuer Lebensmittelrezepturen und Speisen und bezeichnet ausserdem die Präsentation und Aufbereitung von Gerichten, um so Gastronomie oder Lebensmittelprodukte zu bewerben. Der Begriff steht zudem für innovative Gastronomiekonzepte, die es schaffen, Gäste zu begeistern und eine Geschichte zu erzählen.

Veganer Zeigefinger

Noch vor ein paar Jahren nannte nicht nur Guzman ihr erstes Kochbuch überzeugt «Karibisch vegan». Auch in Supermarktregalen stapelten sich Produkte, auf denen das Wort «vegan» zum Verkaufsargument der Stunde wurde. Dass man längst im grünen Trend lag, liess sich mit Tofuwurst und pürierten Cashewnüssen am besten auf dem Teller zeigen.

Den neuen Markt erkannten Teile der Fleischindustrie nicht nur als Bedrohung. Der Fleischkonzern Rügenwalder Mühle war einer der ersten, der pflanzliche Alternativen herausbrachte, die sich im Aussehen und Geschmack kaum vom fleischlichen Original unterschieden. Im Jahr 2021 erzielte das Unternehmen mehr Umsatz mit Fleischersatzprodukten als mit tierischen.

Mit Blick auf die durch Fleischproduktion verursachten Treibhausgase war das für viele ein wichtiger Schritt in die Zukunft.

Wurst bleibt Wurst

Anders sah das im gleichen Jahr das Eidgenössische Departement des Innern (EDI). Auf seine Beschwerde hin, die einen Rechtsstreit auslöste, entschied das Bundesgericht im Mai dieses Jahres, dass es nur «Chicken» heissen darf, wenn auch «Chicken» drin ist. Im Oktober beschloss auch das EU-Parlament, dass Sojaschnitzel ihren längst vertrauten Namen verlieren sollen. In beiden Fällen siegte das Argument des Verbraucherschutzes.

Es geht natürlich um mehr. Am Grill verteidigen wir mal mit der Tofuwurst, mal mit dem Rumpsteak unseren Blick auf die Welt. Schlau sind die, die kreativ diese Debatte durchbrechen. «Ich schreibe mein Essen nie als vegan an», sagt Guzman. «Ich finde es schön, wenn Menschen ohne Vorurteil etwas probieren, es ihnen schmeckt und sie meinen Ansatz gut finden.»

Ist das dann Betrug, wie manch einer mokiert? Remo Gisi, Gründer von Tastelab, meint: nein. Auch sein Projekt, ein kulinarisches Kreativstudio mit veganem Cateringbetrieb, war für die Kategorie Food Design nominiert.

Design zum Probieren

Ähnlich wie Guzman erschafft er ästhetisch ansprechende Gerichte, die geschmacklich überzeugen sollen. Die Ökobilanz weilt im Hintergrund. «Gerade bei Finanz- und Industriekunden merken wir, dass Nachhaltigkeit nicht mehr vordergründig ist», sagt Gisi.

Um seinen Anspruch zu wahren, setzt er auf die Kraft des sinnlichen Erlebnisses. Er weiss, dass in manchen Kreisen Essen und Nachhaltigkeit negative Gefühle auslösen. «Wenn wir gut designte Sachen auftischen, die gut schmecken, kann Nachhaltigkeit einfach mitkommen, ohne sie an die grosse Glocke zu hängen.»

Guzman nennt ihr veganes Kochbuch gar kreativen Aktivismus. Offen bleibt, welche Brücke Food Design wirklich schlagen kann. Bislang lassen sich die Wirklichkeiten eingefleischter Verfechter und fleischloser Optimisten noch nicht so recht vereinen.

SRF 1, Kulturplatz, 5.11.2025, 22:25 Uhr

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