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Die Intelligenz der Natur Experte: Warum wir von Schleimpilzen lernen sollten

Sprechen wir von Intelligenz, meinen wir meist die menschliche. Mit dieser Einstellung entgeht uns jedoch einiges, sagt der Autor James Bridle: Auch Pflanzen und Pilzen können Vorbilder sein.

Um dem Klimawandel und anderen Krisen gewachsen zu sein, könnten wir Menschen von Flora und Fauna viel lernen: für unser Zusammenleben, unsere Technologien und eine überlebensfähige Zukunft, schreibt James Bridle in seinem neuen Buch.

James Bridle

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James Bridle ist Technologie-Autor und Künstler. Bridle lebt in London und auf einer griechischen Insel und schreibt über digitaltechnologische Erneuerungen – unter anderem für den «Guardian», «Wired» oder «The Atlantic».

Das neue Buch «Die unfassbare Vielfalt des Seins. Jenseits menschlicher Intelligenz» sorgt gerade weltweit für Furore und wirft einen unkonventionellen Blick auf unsere Umwelt, der nicht länger zwischen Natur und Technik unterscheidet.

Ein Mauerblümchen als Saubermacher

Im Nordosten Griechenlands wird mithilfe einer KI Erdöl effizienter abgebaut. «Doch jeder Tropfen Öl, den wir aus der Erde holen, zerstört sie und unsere Zukunftsperspektiven», erklärt Bridle. «Kann ein System, das mithilft, sich selbst zu vernichten, intelligent sein?»

Pflanze nahe am Boden mit weissen Blüten, darunter Steine.
Legende: Über Jahrtausende an seine Umgebung angepasst: Die Bornmuellera kann wertvolles Metall aus dem Boden ziehen und speichern. Imago / blickwinkel

Im gleichen Gebiet werden Stoffe auf viel nachhaltigere Weise abgebaut: Unscheinbare Pflanzen, genannt Hyperakkumulatoren, ziehen Metalle aus der Erde und speichern sie in ihren Blättern.

Der Mensch könnte über diese Pflanzen Nickel und andere Metalle ernten. Vielleicht liessen sich damit sogar verminte und vergiftete Böden säubern.

Ein blitzschneller Schleimpilz

Hyperakkumulatoren sind lange nicht die einzige Inspirationsquelle: Da gäbe es auch noch den Schleimpilz. Dieses Wesen zwischen Pflanze und Tier hat weder Gehirn noch Nervenzellen. Trotzdem übertrifft es mit seinen mathematischen Fähigkeiten Mensch und Computer. Die Strecke zwischen zwei oder mehreren Städten «errechnet» der Pilz in Windeseile.

Gelber Schleimpilz auf Moos in einem Wald
Legende: Ein begnadeter Netzwerker: Nicht nur die mathematischen Fähigkeiten des Schleimpilzes können sich sehen lassen, er ist auch ein gutes Beispiel für die komplexen Zusammenhänge in ökologischen Systemen. IMAGO/blickwinkel

«Das sind nur einzelne Organismen, die wir langsam zu verstehen beginnen. Schaut man auf das ganze Ökosystem, eröffnen sich unglaubliche Möglichkeiten.» Viele Formen von Intelligenzen sind radikal anders als unsere. Um sie zu erkennen, brauche es einen neuen Blick – und manchmal eine neue Technologie.

Das Gedächtnis der Pflanzen

Erst vor Kurzem realisierte der Mensch – vielleicht dank seines eigenen Netzwerkes, dem Internet –, dass unter seinen Füssen ein enormes Pilznetzwerk existiert. Dieses «Wood Wide Web» hält Bäume und Erde zusammen, zudem fliessen darüber Nährstoffe und Kommunikation.

In der Wissenschaft wächst allmählich ein neues Verständnis von Intelligenz: So weiss man heute, dass viele Tiere Erdbeben früher spüren als menschliche Warnsysteme. Derweil haben Pflanzen gelernt, sich zu erinnern und aktivieren schon beim Fressgeräusch eines Feindes ihre Schutzmechanismen.

Nachhilfe aus der Natur

«Intelligenz ist kein statisches Konzept, sie entsteht immer in Beziehungen, im Austausch mit der Welt», so Bridle. Alles funktioniere im Zusammenspiel. Auch wir Menschen sind keine abgeschlossene Einheit, laufen wir doch mit 2–3 kg Mikroben in und auf uns herum.

Alles ist Kooperation. Wer dies anerkennt, steigert seine Chance, zu überleben.
Autor: James Bridle Autor, Künstler, Informatiker

Die Idee, dass es eine Natur gäbe, von der sich der Mensch getrennt betrachten könne, sei folglich falsch. Selbst die Technologie zählt James Bridle zur Ökologie dazu. «Alles ist Kooperation. Wer dies anerkennt, steigert seine Chance, auf diesem Planeten zu überleben.» Dazu sollten wir von Tieren oder Pflanzen lernen, die auf Kooperation setzen.

Wir können jedoch Pflanzen, Tiere und Pilze nicht bitten, uns Lösungen zu liefern, und so zerstörerisch weiterleben wie bisher. Vielmehr, so Bridle, sollten wir von ihnen lernen, «uns wieder unserem Umfeld anzupassen und mit weniger Ressourcen zu leben».

Bisher sei KI primär dazu trainiert worden, kompetitiv und hocheffizient zu sein, etwa um den letzten Tropfen Erdöl aus dem Boden zu holen. Bringe man sie dazu, kooperativer zu «denken», hätten vielleicht auch die Böden im Nordosten Griechenlands eine Chance auf Zukunft.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 26.03.2023, 11:00 Uhr.

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