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Diversität in Blockbuster-Games: Wo steht die Game-Industrie heute?
Aus Kultur-Aktualität vom 24.07.2020. Bild: Naughty Dog/Sony
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Diversität in Games Ein Game bricht Verkaufsrekorde – mit lesbischer Protagonistin

Blockbuster-Games tun sich immer noch schwer mit der Diversität. Doch der Erfolg von «The Last of Us: Part II» zeigt: Die Game-Industrie ist im Umbruch.

Die Besetzung des kürzlich erschienen Blockbuster-Games «The Last of Us: Part II» ist divers: Hauptfigur Ellie ist lesbisch, ihre Freundin jüdisch, Antagonistin Abby eine muskulöse Kämpferin, der junge Asiate Lev ist transgender. Eine solche Besetzung ist aussergewöhnlich für einen so grossen Game-Titel.

Hallo Hollywood: Blockbuster versus Indie

«The Last of Us II» ist ein Ausnahmebeispiel in mehrfacher Hinsicht. Das Game führt unter Spielerinnen und Spielern zu hitzigen Debatten. Die Geschichte, die sich um das Leben nach einer grossen Seuche dreht, erfahren viele als verstörend, schwer zu verdauen oder als einfach zu lang. Andere stören sich schlicht an ebendieser Figurendiversität und werfen dem Entwickler Naughty Dog eine versteckte Agenda vor.

Ellie
Legende: Ellie ist die Protagonistin des Games. imago images / Hans Lucas

Für Blockbuster-Games mit Millionenbudget, riesigem Marketing und einem grossen Herausgeber ist eine diverse Besetzung immer noch nicht selbstverständlich.

Indie-Games hingegen, die in der Regel ein kleines Team mit minimalem Budget entwickelt, experimentieren schon lange und lustvoll mit Sexualitäten, Ethnien und aussergewöhnlichen Spielerfahrungen. Es gibt Parallelen zur Filmbranche: Wo Hollywood sich nur langsam ändert, experimentiert das Arthous-Cinéma schon längst. Ähnlich wie die Indie-Games.

Diverse Gamerinnen und Gamer

Typische Protagonisten in nicht-diversen Blockbuster sind vor allem eins: Weisse, heterosexuelle Männer mittleren Alters, mit Dreitagebart und Kurzhaarschnitt. Figuren, die von diesem Stereotyp abweichen, spielen oft keine Rolle, oder nur eine nebensächliche.

Oder dann werden sie klischiert dargestellt. Natürlich ist die Diversitätsfrage auch abhängig vom Genre und stellt sich vor allem bei Games, in denen Handlung und Figuren im Vordergrund stehen.

Ein wichtiger Unterschied existiert jedoch zwischen Film- und Game-Industrie: Games sind interaktiv, wirken damit viel stärker, als wenn wir bloss einen Film anschauen. Die Spielfigur wiederum repräsentiert bis zu einem gewissen Grad die Spielerin, ist Projektionsfläche und Repräsentation in der virtuellen Welt.

Der Cast von Overwatch
Legende: Je nach Genre ist Diversität kein Problem Die Besetzung des sehr populären Online-Multiplayer-Schiessspiels «Overwatch» (Blizzard, 2016). Blizzard

Ein interaktives Medium mit Abwehrreflex

Viele Blockbuster bieten nur eine sehr eng definierte Repräsentationsform, selbst wenn mittlerweile etwa gleich viele Männer wie Frauen Games spielen. Die Debatte um die Besetzung in «The Last of Us: Part II» zeigt so auch, dass sich viele Spieler noch schwer damit tun, eine unvertraute Projektionsfläche vorzufinden.

Der Abwehrreflex bezieht sich aber auch auf die Geschichte des Mediums selbst. Lange – häufig immer noch – mussten Games als Kulturgut gerechtfertigt und verteidigt werden, wobei Gamer einen gewissen speziellen Aussenseiterstatus genossen.

Doch die Game-Gemeinschaft ist über die Jahre viel diverser und anerkannter geworden. Damit fühlen sich viele in ihrer Identität bedroht, weil sie den Spezialstatus als «Gamer» langsam verlieren.

Gamergate: ein Wendepunkt

Für die Gaming-Industrie bedeutete die Gamergate-Kontroverse Mitte 2014 bis 2015 einen Wendepunkt, ähnlich wie die MeToo-Bewegung in Hollywood. Gamergate war im Kern eine massive, koordinierte Hetz-Kampagnen gegen Frauen in der Game-Industrie.

So schlimm die Ereignisse für die Betroffenen waren, es führte immerhin dazu, dass das Thema Diversität innerhalb der Game-Industrie und in Games selbst weit über die Branche hinaus in den Medien diskutiert wurde. Seither können sich Blockbuster-Entwickler nicht mehr der Diversitätsfrage entziehen – oder stehen zumindest rasch in der Kritik.

Selbst wenn sich seit Gamergate eine Veränderung feststellen lässt, sie verläuft doch harzig. Wie bei Hollywood sind viele Entscheidungspositionen bei Entwicklerstudios und Herausgebern von Männern besetzt, häufig auch mit einer entsprechenden Macho- und Machtkultur. So steht etwa das Management des französischen Ubisoft-Unternehmens seit Kurzem in den Schlagzeilen. Es ist einer der ganz Grossen im Game-Business, entwickelt und publiziert die ganz grossen Titel.

Ein Signal an die grossen Gamestudios

Es ist die Rede von Klüngelei im Familienbetrieb, von sexueller Belästigung der Angestellten, von einer Personalabteilung, die taub ist gegenüber den Nöten der Angestellten. Ein Management, das sich immer wieder gegen Diversität gestellt habe, mit der Begründung, Frauen in Games – also Games mit einem diversen Cast – verkaufen sich nicht.

Ein Uralt-Argument, das heutzutage nicht mehr haltbar ist. Ubisoft dürfte kein Einzelfall sein, seit Gamergate ist regelmässig von ähnlichen Fällen zu lesen.

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«The Last of Us: Part II» ist zwar noch eine Ausnahme-Erscheinung unter den Blockbuster-Games. Doch der Titel dürfte einen wichtigen Meilenstein setzen.

Das Game erzielte Verkaufsrekorde kurz nach Publikation und sendet so der Industrie ein Signal: Auch Games mit diverser Besetzung samt lesbischer Protagonistin verkaufen sich und lohnen das Risiko.

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