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Vertuschungsvorwürfe gegen ehemalige Päpste: Was ist dran? Gespräch mit Religionsredaktorin Nicole Freudiger
Aus Kultur-Aktualität vom 09.12.2022. Bild: KEYSTONE/EPA/MAURIZIO BRAMBATTI
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Ehemalige Päpste in der Kritik Missbrauch in der Kirche: Vorwürfe haben das Papstamt erreicht

Gleich zwei ehemalige Päpste stehen derzeit in der Kritik: Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. sollen Missstände in der römisch-katholischen Kirche vertuscht haben. Das ist brisant, weil sie das Amt des Papstes als moralische Instanz infrage stellen. Eine Einordnung.

Was wird den beiden Päpsten vorgeworfen? Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., soll als Erzbischof von Krakau dazu beigetragen haben, Missbrauch zu vertuschen. Etwa indem er verurteilte Täter versetzt haben soll.

Das berichtete der Journalist Ekke Overbeek im niederländischen Fernsehen NOS und stützt sich auf Geheimdokumente. Die Vorwürfe sind zurzeit allerdings nicht bestätigt.

Foto von Johnnes Paul II.
Legende: Johannes Paul II. war ab 1978 bis zu seinem Tod 26 Jahre lang Papst der römisch-katholischen Kirche. KEYSTONE/AP Photo

Bereits länger bekannt sind ähnliche Vorwürfe gegen Benedikt XVI. Das Münchner Missbrauchsgutachten beschuldigt Joseph Ratzinger, damals Erzbischof von München und Freising, sich in vier Missbrauchsfällen «fehlerhaft» verhalten zu haben.

Neu hinzu kommt ein Bericht des Bayrischen Rundfunks über eine sektenartige römisch-katholische Gemeinschaft, von der Ratzinger gewusst und zu wenig unternommen haben soll.

Sind die Vorwürfe überraschend? Nein. Denn sie bestätigen, was bisher alle Gutachten und Prozesse gezeigt haben – von Frankreich über Deutschland, von Australien bis in die USA: Bis vor Kurzem wurde Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche vertuscht, Täterinnen und Täter wurden versetzt, statt dass man sie aus dem Verkehr zog.

Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger waren als Erzbischöfe mutmasslich Teil dieses Systems. Umso wichtiger ist es, dass dieses System nun durchleuchtet wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

ein Mann in weiss gekleidet
Legende: Kurz vor seinem Rücktritt im Jahr 2013: der emeritierte Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger). EPA/MICHAEL KAPPELER

Was bedeutet es, dass der Missbrauchsskandal mit den beiden Päpsten nun das höchste Amt in der römisch-katholischen Kirche erreicht hat? Dass jetzt ehemalige Päpste beschuldigt werden, ist für die römisch-katholische Kirche besonders brisant. Die Vorstellung des Papstes als moralische Instanz, der für christliche Werte wie Nächstenliebe steht, wird infrage gestellt.

Hinzu kommt, dass Johannes Paul II. bereits heiliggesprochen wurde. Falls sich die Vorwürfe bestätigen, stellt sich die Frage: Wie soll man einen Papst als Heiligen verehren, wenn er Missbrauch vertuscht hat?

Dass der Missbrauchsskandal nun das Papstamt erreicht hat, verschärft das Glaubwürdigkeitsproblem der römisch-katholischen Kirche.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 09.12.2022, 17:10 Uhr

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