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Nadia Bolz-Weber: Sexuelle Reformation jetzt!
Aus Sternstunde Religion vom 05.05.2019.
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Eine Kirche für Ausgestossene Eine Pfarrerin, die sich das Evangelium eintätowiert hat

Nadia Bolz-Weber hat ihre eigene Version des American Dream vollzogen: von der Alkoholikerin zur Pfarrerin.

Nicht in einer Million Jahren hätte sie sich vorstellen können, einmal so berühmt zu werden, sagt Nadia Bolz-Weber. Sie ist ein Superstar in ihrer Heimat, den USA. Und so etwas wie das enfant terrible der christlichen Theologie.

In konservativen Kreisen ist die lutherische Pfarrerin ein rotes Tuch. Denn: Bolz-Weber hat ein bewegtes Leben hinter sich. Eines, das gemäss dieser religiösen Kreise nicht mit dem Christentum konform ist.

Über Umwege zum Glauben

Bolz-Weber wurde in ihrer späten Jugend Alkoholikerin, führte ein ausschweifendes Leben, trat kurz einer Wicca-Bewegung bei, einer Art Hexenreligion.

Sie lebte in einer zwielichtigen Kommune und nahm eine Abtreibung vor. Zudem ist Bolz-Weber stark tätowiert und unzimperlich in ihrer Sprache. Sie wählt direkte Worte und flucht.

Eine Frau mit Kurzhaarschnitt und Tattoos hält ein Smartphone in der Hand. Sie ist Pfarrerin und trägt ein schwarzes T-Shirt, am Hals ist eine weisse Pfarrersbinde und eine Goldkette.
Legende: Gründete das «Haus für alle Sünder und Heiligen»: Die US-Amerikanerin Nadia Bolz-Weber. imago images / epd

Und trotzdem: Bolz-Weber findet zum Christentum zurück, das sie in ihrer Jugend hinter sich liess. Damals fühlte sie sich zu stark eingeengt im Korsett der «Church of Christ», einer US-amerikanischen konservativen evangelikalen Kirche, deren Mitglieder ihre Eltern sind.

Bolz-Weber studierte evangelisch-lutherische Theologie und wurde ordinierte Pfarrerin derselben Kirche. Aber sie wäre nicht, was sie ist, wenn sie nicht eine eigene Gemeinde gegründet hätte. Eine, die voll und ganz ihren Eigenheiten entspricht.

Wohin mit den Sorgen?

Auch ihre Berufung zur Seelsorgerin und Pfarrerin dieser Gemeinde hätte sie sich nie ausmalen können. Der Verlauf ihres Lebens hat ihr diesen Ball zugespielt. Als sich ein guter Freund von ihr – ein Alkoholiker und Comedian wie damals auch sie – das Leben nahm, hielt sie seine Abschiedsrede.

Dort traf sie die Einsicht wie ein Schlag. Alle diese Leute hatten keinen Seelsorger. Niemanden, der ihre Lebenswelt verstand. Niemanden, dem sie ihre Sorgen vor die Füsse legen konnten. Sie – Nadia – musste diese Person sein, sie musste diese Lücke füllen.

«Haus für alle Sünder und Heiligen»

«Ich glaube, dass wir uns gerade über die rauen und gebrochenen Seiten unseres Menschseins miteinander und mit Gott verbinden können», sagt Bolz-Weber. «Ich fühle mich Menschen erst wirklich verbunden, wenn sie mir ihre schwierigen Seiten offenlegen.»

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Fromm und sexy
aus Perspektiven vom 10.02.2019. Bild: SRF / Sébastien Thibault
abspielen. Laufzeit 26 Minuten 37 Sekunden.

Das «Haus für alle Sünder und Heiligen», wie sie ihre Gemeinschaft benannte, ist ein Treffpunkt für Menschen, die sich von der Gesellschaft oder dem stark religiös-konservativen Angebot Amerikas nicht wahrgenommen fühlen.

Sonntags besucht eine bunt durchmischte Gruppe ihren Gottesdienst, darunter auch Homosexuelle und Dragqueens.

Vom Ring zur Vagina-Skulptur

Seit letztem Sommer ist Bolz-Weber jedoch nicht mehr in ihrer Kirchgemeinde tätig. Sie konzentriert sich heute auf ihr Schreiben und die öffentliche theologische Arbeit.

So hat sie etwa vor einigen Monaten für Aufsehen und Ärger gesorgt: Auf Twitter rief sie Frauen auf, ihr ihre «purity rings» zuzuschicken. Das sind Ringe aus der Keuschheitsbewegung der 1990er-Jahre, die Enthaltsamkeit bezeugen sollten. Die Ringe wollte Bolz-Weber zu einer goldenen Vagina schmelzen.

Trotz des Aufruhrs: Das Projekt hatte Erfolg. Dadurch wollte Bolz-Weber die Frauen symbolisch von ihrer angeblichen sexuellen Unterdrückung befreien. Für sie ist klar: Die Haltung der Kirche zur Sexualität ist vergiftet und muss sich ändern.

Bolz-Weber fühlt sich berufen, sie will Veränderung und vor allem Platz schaffen, «für Menschen, die in einem solchen Christentum keine Heimat finden.»

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