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Salomé Balthus
Legende: Bezeichnet sich selbst als «Spielzeug für Erwachsene»: Salomé Balthus. Uwe Hauth

Escort-Dame Salomé Balthus «Sex ist die Belohnung für die Mühe davor»

Salomé Balthus verkauft sich nicht aus Not, sondern weil sie es will. Ein Gespräch mit einer Prostitutionsbefürworterin.

SRF: Sie schreiben in einer Kolumne in der «Welt», dass Ihnen die Arbeit als Prostituierte einen «Heidenspass» mache. Worin besteht der?

Salomé Balthus: Sex macht Spass. Und es macht auch Spass, sich schön anzuziehen, mit jemandem essen zu gehen, Champagner zu trinken. Da bekomme ich ganz ohne Weiteres Lust auf Sex.

Salomé Balthus

Escort

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Salomé Balthus (richtiger Name Klara Johanna Lakomy) wurde 1984 als Tochter des Künstlerpaares Monika Ehrhardt und Reinhard Lakomy in Ostberlin geboren. Sie studierte Philosophie und Literatur und arbeitet seit 2011 als Escort. Balthus betreibt einen Blog und schreibt die Kolumne «Das Kanarienvögelchen» für die Tageszeitung «Die Welt».

Mir macht es auch Spass, Menschen kennenzulernen, mit denen ich sonst gar nicht in Berührung kommen würde. Da bin ich auch einfach nur neugierig. Und dadurch, dass sich Fremde innerhalb einer Diskretionsvereinbarung treffen, erfahre ich enorm viel, das ich in meinem vorherigen Leben als Akademikerin nicht erfahren hätte.

Wo hört der Spass auf und beginnt die Arbeit?

Der Sex ist eigentlich die Belohnung für die Mühe davor. Sie glauben gar nicht, wie viel Angst viele Kunden haben.

Wahrscheinlich habe ich weniger Sex als eine Ehefrau.

Durch die Fremdheit haben viele im Moment, wenn die Zimmertür zufällt, eine grosse Anspannung und setzen sich sehr unter Druck. Eine Situation herzustellen, die entspannt und nicht peinlich ist, ist nicht einfach.

Nicht einfach ist sicher auch, ständig mit wildfremden Menschen Sex zu haben, die man sich nicht ausgesucht hat.

Ich nehme mir das Recht heraus, ein Treffen ohne Sex zu beenden, wenn ich merke, dass die Chemie nicht stimmt. Und wenn Sie sagen «ständig»: Man hört ja immer wieder, dass man als Prostituierte körperlich viel Sex aushalten muss.

In meinem Fall ist das nicht so. Ich habe pro Woche im Schnitt zwei Kunden und sehr wenig Sex in meinem Privatleben. Wahrscheinlich habe ich weniger Sex als eine Ehefrau.

Die Herausforderung ist wahrscheinlich nicht nur auf der körperlichen Ebene.

Ehrlich gesagt verstehe ich gar nicht, warum man glaubt, dass dieser Beruf unangenehmer sei als andere. Wenn ich mir überlege, was Rettungssanitäterinnen aushalten und an Gefühlen verdrängen müssen, um funktionieren zu können.

Wenn ich die Wahl hätte, in einem Auto einen Blowjob für 20 Euro zu machen oder einen ganzen Tag in einem Fastfood-Restaurant zu putzen, würde ich mich für den Blowjob entscheiden.

Die meisten Kunden sind auch fühlende Menschen und keine Automaten. Sie wollen, dass ich mich wohl fühle. Sie spenden sogar Trost, wenn sie merken, dass es mir schlecht geht. Ich habe eine sehr liebe Familie – aber ich muss sagen, dass ich von Kunden oft besser behandelt wurde als von anderen Menschen.

Sie haben das Privileg, im Hochpreis-Sektor zu arbeiten, wo es nicht um schnellen Sex, sondern um einen gemeinsamen Abend geht. Viele Prostituierte kennen eine ganz andere Realität. Wenn man Berichte liest, was diese mit ihren Kunden erleben, wird einem schlecht.

Wenn ich die Wahl hätte, in einem Auto einen Blowjob für 20 Euro zu machen – natürlich mit Kondom – oder für den gleichen Betrag einen ganzen Tag in einem Fastfood-Restaurant zu putzen, würde ich mich für den Blowjob entscheiden. Auch wenn beides kein schöner Job ist.

Als Sexarbeiterin habe ich gelernt, nein zu sagen.

Es ist nie schön, im Billigsektor zu arbeiten. Auch nicht für die Arbeiterin am Fliessband, die die immer gleiche, geistlose Handbewegung macht. Auch in der Prostitution gibt es Bereiche, die nicht sehr viel Spass machen. Aber in einer liberalen Gesellschaft hat man immerhin die Wahl.

Glauben Sie wirklich, dass alle Frauen, die als Prostituierte arbeiten, die Wahl haben?

Probleme, warum Menschen etwas tun, was sie nicht wollen und eigentlich nicht einmal müssten, gibt es in vielen Bereichen. In der Prostitution ist die Grenze, wo etwas passiert, das nicht mehr gut ist, halt besonders deutlich.

Mir hat es eher geholfen, zu verstehen, wie wichtig Grenzen sind. Als Sexarbeiterin habe ich gelernt, nein zu sagen.

Sie lehnen auch ein Verbot der Prostitution nach schwedischem Vorbild ab, das die Freier bestraft, nicht aber die Prostituierten. Wieso?

Die Gesellschaft möchte sich die Finger nicht schmutzig machen, indem sie die Frauen bestraft. Aber ein Verbot wirkt sich als Bestrafung der Frauen aus.

Die anständigen Kunden trauen sich dann nicht mehr. Übrig blieben die Kunden, die ich jetzt ablehnen würde.

Was ist das für eine Auffassung von unserem Ideal der Aufklärung, dass ich einen Beruf nicht machen darf, der mir gar nicht schadet?

Das verändert die Schwelle für Gewalt bei den Kunden. Sie haben ja bereits eine Straftat begangen, dann können sie ja gleich noch unfreundlicher werden. Ich merke das auch bei meinen Kunden aus Frankreich, Schweden und Norwegen, die verhalten sich anders.

Inwiefern?

Sie sind verklemmter und zugleich anmassender, sogar übergriffig. Man merkt, dass sie sich schämen. Durch ein Verbot wird eine Stigmatisierung in die Gesellschaft getragen, dass Sex zu kaufen etwas Schmutziges ist.

Das wirft uns in ein konservatives Denken zurück. Was ist das für eine Auffassung von unserem Ideal der Aufklärung, dass ich einen Beruf nicht machen darf, der mir gar nicht schadet?

Ihre Mutter weiss von Ihrem Beruf. Ihrem Vater, der 2013 gestorben ist, hatten Sie es nicht gesagt. Warum?

Als cholerischer Mensch wäre er wohl ausgerastet. Aber er hat mich geliebt, wie ich bin, und hätte es wahrscheinlich doch akzeptieren können. Vielleicht wäre er sogar im Stande gewesen, damit bei seinen Freunden anzugeben.

Ich wollte es ihm immer sagen. Aber dann bekam er Krebs und hatte nur noch vier Wochen zu leben. In dem Moment wäre es unfair gewesen, ihm das noch zu erzählen.

Aber ich muss sagen, das ist das Einzige im Leben, das ich bereue. Ich habe ihm die Möglichkeit genommen, sich zu meiner Wahrheit zu verhalten.

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