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Prostitution auf der Flucht «Das Martyrium nimmt oft auch in Europa kein Ende»

Die Zürcher Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (Fiz) hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass mehr Frauen, die sich bei der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel meldeten, aus dem Asylbereich stammen. Deren Zahl hat sich verdreifacht, wie dem Jahresbericht der Institution zu entnehmen ist. Die Geschäftsführerin der Fiz, Susanne Seytter, berichtet von ihren Erfahrungen.

Susanne Seytter

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Seytter ist Geschäftsführerin der Zürcher Fachstelle Fiz. Die Fachstelle befasst sich mit Frauenhandel und Migration. Dazu gehört eine Interventionsstellen für Betroffene von Menschenhandel.

SRF News: Was erleben Frauen auf der Flucht?

Susanne Seytter: Es ist oftmals so, dass Frauen bereits auf der Flucht auf dem afrikanischen Kontinent für die Menschenhändler die Schleppergebühren abarbeiten müssen. Das passiert an unterschiedlichen Stationen. Sie werden in Bordelle gezwungen, um dort mit Prostitution das entsprechende Schleppergeld zu verdienen.

Oft müssen Frauen bereits auf der Flucht auf dem afrikanischen Kontinent für die Menschenhändler die Schleppergebühren abarbeiten.

Das heisst, die Frauen kommen schon sehr traumatisiert in Europa an und werden oft bei der Ankunft in Europa, beispielsweise in Italien, aus den Lagern abgeholt und weiter zur Prostitution gezwungen. Das Martyrium nimmt kein Ende.

Sie schreiben in Ihrem Bericht, dass Opfer von Menschenhandel heute im Asylverfahren besser erkannt werden als früher. Sie würden aber nicht genügend geschützt.

Leider entspricht das der Realität. Positiv ist, dass immer mehr Betroffene im Asylbereich als Opfer dieser schweren Menschenrechtsverletzungen erkannt werden. Es gibt aber keinen Ablauf, was nachher mit den Frauen passiert. Das ist ein sehr wichtiger Moment. Man wird als Opfer einer schweren Straftat erkannt. Dann braucht es ein weiteres Vorgehen. Aber dafür gibt es keinen Plan. Die Opferschutzstellen werden nicht aktiv mit einbezogen.

Solange der Schutz der Frauen nicht gewährleistet ist, kommt man auch nicht an die Menschenhändlerringe heran.

In der Regel gibt es keine Möglichkeit, die Betroffenen aus den Asylzentren in eine Opfergerechte Schutzunterkunft zu bringen, um sie spezialisiert und psychosozial zu beraten. Es ist wie ein Vakuum, eine leere Stelle zwischen der Identifizierung und dem, was dann eigentlich folgen sollte.

Was fordert die Fachstelle denn?

Wir fordern, dass Betroffene von Menschenhandel im Asylverfahren Zeit bekommen, dass zum Beispiel die Asylverfahren sistiert werden können. So könnte man ihnen Schutz gewähren und Vertrauen aufbauen. Die Zeit braucht es auch, damit man klären kann, was genau passiert ist. Für die Stabilisierung der betroffenen Menschen ist das wichtig.

Andererseits ist es auch wichtig zu schauen, wie man letztlich auch die Menschenhändler verfolgen und hinter Schloss und Riegel bringen kann. Dazu braucht es natürlich auch die Mitarbeit der Betroffenen. Aber solange der Schutz nicht gewährleistet ist, kommt man auch nicht an die Menschenhändlerringe heran.

Das Gespräch führte Marlen Oehler.

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