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Rudolf Steiner und sein Erbe: Wer war er wirklich?
Aus Kultur Webvideos vom 30.10.2022.
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Ex-Steiner-Schüler Peter Luisi «Bin extrem froh, dass ich mich nicht mit Noten abkämpfen musste»

Man kennt ihn von Filmen wie «Der Sandmann» oder «Prinzessin»: Peter Luisi arbeitet seit über 20 Jahren als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent und ist genauso kreativer Kopf wie Unternehmer.

Bevor er in Kalifornien Filmproduktion studierte, absolvierte Luisi von 1982 bis 1994 die Rudolf-Steiner-Schule in Zürich. Wie prägte diese Zeit sein Schaffen? Und würde er es wieder tun?

Peter Luisi

Peter Luisi

Drehbuchautor, Regisseur und Produzent

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Peter Luisi arbeitet als freischaffender Drehbuchautor, Regisseur und Produzent in Zürich. Er hat sich mit diversen Spielfilmen (u. a. «Verflixt Verliebt», «Love Made Easy», «Flitzer» sowie als Coautor von Fredi Murers «Vitus») einen Namen gemacht. 2021 erschien sein neuster Film «Prinzessin».

Mit seiner Firma Spotlight Media produziert der 47-Jährige auch Serien (u. a. «Advent, Advent» im SRF), TV-Sendungen («Deville») und Spielfilme. Luisi wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Zürcher Filmpreis, neun Nominierungen für den Schweizer Filmpreis, dem Jury- und Publikumspreis am Filmfestival Max Ophüls sowie dem Publikumspreis am Locarno Film Festival.

Bild: Getty Images/Vivien Killilea

SRF: Peter Luisi, Sie waren Steiner-Schüler. Wie sehen diese Schulen heute?

Peter Luisi: Es gibt unterschiedliche Auffassungen zur Steiner-Schule. Die meisten sehen sie wohl als Privileg – ich bin einer davon.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?

Wir haben viel Theater gespielt, Ausflüge gemacht und Geschichten erzählt bekommen. Und wir haben wochenlang gemalt oder mit Holz und Steinen gearbeitet. Für mich war das als Kind alles selbstverständlich.

Es ist schön, wenn es für Kinder noch andere Sachen gibt, als zu büffeln.

Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, welch ein Privileg das war. Einige lachen darüber, dass wir Steine gehauen oder «glismet» haben. Aber es ist doch schön für Kinder, wenn es noch andere Sachen im Leben gibt, als zu büffeln.

Wie reagieren Sie, wenn man sich über die Steiner-Schule lustig macht?

Das nehme ich mit Humor. Ich bin Künstler geworden, also stimmen gewisse Klischees. Ich kenne nichts anderes als die Steiner-Schule, aber für mich war’s gut.

Mir gefällt das Prinzip dahinter, auch wenn die Umsetzung natürlich sehr unterschiedlich ist. Zudem ist jedes Kind anders und die Steiner-Schule nicht für jedes Kind das Beste. Die Schweiz hat grundsätzlich super Schulen und ich begrüsse es, dass wir verschiedene Schulsysteme haben und nicht einen Standard für alle.

Schulbub hält im Wald einen Stock zum Bräteln.
Legende: Spass im Wald: Ein 10-jähriger Peter Luisi geniesst 1985 während eines Ausflugs mit der Schule den Aufenthalt in der Natur. Peter Luisi

Braucht es aus Ihrer Sicht keinen Notendruck?

Wir hatten die ganze Schulzeit keine Noten. Danach packte mich der Ehrgeiz umso mehr: Ich absolvierte die Filmschule an einer Universität in Kalifornien. Dort hatte ich lauter 6er. Bloss in einem Fach reicht es «nur» für eine 5-6: ausgerechnet im kreativen Schreiben … Alles in allem hat’s bei mir also gut geklappt.

Ich war damals mit einer Japanerin an der Uni, die ab dem Kindergarten dem Leistungsdruck ausgesetzt war. Trotzdem war ich deutlich besser als sie. Es hat also nichts gebracht, dass sie als Kind «gequält» wurde.

Werden Sie Ihr eigenes Kind an die Steiner-Schule schicken?

Unser Sohn ist erst zweieinhalb Jahre alt, aber ich denke, wir werden uns für die Steiner-Schule entscheiden. Es kommt natürlich darauf an, wo die Schule liegt und es ist auch eine Kostenfrage. Unterstützung von öffentlicher Hand gibt es keine und man bezahlt ein einkommensabhängiges Schulgeld.

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Rudolf Steiner und die Anthroposophie
Aus Sternstunde Philosophie vom 30.10.2022.
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Was denken Sie: Wie wäre es Ihnen an einer «gewöhnlichen» Schule ergangen?

Ich glaube, ich hätte auch in einer staatlichen Schule keine Mühe gehabt. Noten haben mich später mit 18 Jahren nicht gestört. Und auch an der Steiner-Schule hatten wir ab der Oberstufe eine Einschätzung erhalten. Es gab zum Beispiel bei Aufsätzen Rückmeldungen auf einer Skala, ähnlich wie Noten.

Ab einem gewissen Alter ist es sinnvoll, wenn man sich vergleicht.

Ich war aber extrem froh, dass ich mich nicht schon als kleines Kind mit Noten abkämpfen musste. Ab einem gewissen Alter finde ich es sinnvoll, wenn man sich vergleicht und messen kann. Als Teenager will ich auch aufs spätere, «echte» Leben vorbereitet werden. Aber man sollte nicht zu früh damit anfangen.

Die staatlichen Schulen haben in der Zwischenzeit einige Elemente der Steiner-Schule übernommen – etwa den Fokus auf Kompetenzen, das Frühenglisch, Projektunterricht und selbstorganisiertes Lernen. Braucht es alternative Modelle wie die Steiner-Schule überhaupt noch?

Ja. An den öffentlichen Schulen ist viel passiert in den letzten 20 Jahren, das finde ich sehr positiv. Gleichzeitig hat es die Steiner-Schule immer schwieriger. Ich finde sie jedoch noch lange nicht überflüssig.

Die Unterschiede sind immer noch gross. Aber entscheidend für die Qualität sind sowieso auch die Lehrperson und die Klasse – egal an welcher Schule.

Die Rudolf-Steiner-Schulen

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Die Rudolf-Steiner-Schulen (auch Waldorfschulen genannt) basieren auf der anthroposophischen Menschenkunde und Waldorfpädagogik von Rudolf Steiner. In der Schweiz gibt es rund 30 Rudolf-Steiner-Schulen und 51 Kindergärten. Das Angebot reicht von der Spielgruppe bis zur Matura. Jedes Kind erhält dabei die Zeit, die es für seinen Fortschritt braucht.

Noten gibt es auf den unteren Stufen keine, dafür Textzeugnisse und einen Lehrplan für «Kopf, Herz und Hand», so das Motto. 2003 haben sich die Rudolf-Steiner-Schulen zu einer Arbeitsgemeinschaft mit Sitz in Aesch (BL) zusammengetan. Im Gegensatz zu Deutschland oder Holland erhalten die Rudolf-Steiner-Schulen in der Schweiz keine finanzielle Unterstützung vom Staat.

Welche Rolle hat die musische Veranlagung der Steiner-Schule dabei gespielt, dass Sie Filmemacher geworden sind?

Es hat sicher geholfen. Aber ich wäre wohl trotzdem Filmemacher geworden. Es war schon immer meine Passion und ein grosser Wunsch. Vielleicht bin ich zusätzlich angeregt worden.

Bei Ihren Filmen sind sie Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Verdanken Sie diese Vielseitigkeit der Steiner-Schule?

Die Steiner-Schule will Kinder zu selbständigen Menschen ausbilden, die für sich selber denken. Ich glaube schon, dass das für mich zutrifft. Das trifft aber auch auf andere zu, die eine normale Schule besuchten. Es ist also schwierig zu beantworten.

Ich fand meine Schulzeit jedenfalls sehr schön. Ich habe viel fürs Leben gelernt und wichtige Erfahrungen gesammelt, die ich sonst nicht gemacht hätte.

Steiner-Schulen haben eine gewisse Filter-Funktion.

Gibt es etwas, das Ihnen damals gefehlt hat?

Die Steiner-Schule ist teuer. Ich finde es schade, dass sie sich nicht alle leisten können. Darum hat sie sicher eine gewisse Filter-Funktion. Es sind dort alles Kinder von Eltern, die finden, dass sich diese Ausgabe lohnt.

Schade finde ich auch, dass die Steiner-Schule nicht von der öffentlichen Hand finanziert wird. Ich wünsche mir grundsätzlich mehr Unterstützung, Anerkennung und Respekt für die Arbeit von Lehrpersonen. Schulen sind extrem prägend für das Leben der Kinder.

Das Gespräch führte Jonas Wydler.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 30.10.2022, 11:00 Uhr;

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