Das Gedankenexperiment mit dem Gehirn im Tank stammt von dem 1926 geborenen US-amerikanischen Philosophen Hilary Putnam. Die Idee dahinter ist allerdings viel älter. Die Vorstellung, unser Leben könnte eine blosse Illusion sein, findet sich bereits bei den pyrrhonischen Skeptikern der griechischen Antike.
Alles nur Schein?
Es gibt Situationen, in denen unsere Sinne uns täuschen, etwa bei optischen Täuschungen, bei schlechter Sicht oder während eines Drogenrauschs. Oft sind wir uns der Täuschung nicht bewusst – wir verwechseln Schein und Sein. Die Skeptiker fragen nun: Könnte es vielleicht sein, dass wir uns immer täuschen? Sind die Dinge wirklich so, wie wir sie wahrnehmen?
Andere Lebewesen nehmen die Welt vermutlich anders wahr als wir. Denken Sie an einen Hund, an eine Spinne oder an eine Fledermaus. Aber welche Sichtweise ist die richtige? Wie können wir die objektive Welt erfassen, wenn wir doch immer nur sinnliche Eindrücke von ihr haben?
Ich denke, also bin ich
Im 17. Jahrhundert hat der französische Philosoph René Descartes die Zweifel an der Erkennbarkeit der Welt radikalisiert. Er wollte die Wissenschaft auf ein festes, unbezweifelbares Fundament stellen. Zu diesem Zweck versuchte er an allem zu zweifeln, woran man überhaupt zweifeln kann.
Dabei fand er eine unbezweifelbare Gewissheit, nämlich die Tatsache, dass ich jetzt gerade denke. Auch wenn ich getäuscht werde, gilt: Ich denke. Das weiss ich mit Sicherheit. Dann aber muss es mich auch geben. Keine Gedanken ohne Denker. «Cogito ergo sum» – Ich denke, also bin ich.
Das manipulierte Gehirn
Hilary Putnam hat Descartes’ Zweifel in unsere Zeit übersetzt. Da die heutige Wissenschaft davon ausgeht, dass unser bewusstes Erleben durch Vorgänge im Gehirn erzeugt wird, müsste es prinzipiell möglich sein, bestimmte Erlebnisse durch gezielte Stimulationen des Gehirns hervorzurufen.
So könnte uns durch die Manipulation unseres Gehirns eine ganze Welt vorgegaukelt werden. Vielleicht schwimmt unser Gehirn in Nährlösung und wird durch zahlreiche Drähte gezielt stimuliert, sodass wir fälschlicherweise glauben, einen Körper zu haben und gerade diesen Text zu lesen. Können wir ausschliessen, dass es so ist?
Die Widerlegung des Zweifels
Hilary Putnam meint, ja. Er ist nämlich der Ansicht, wir könnten nur auf Dinge Bezug nehmen, mit denen wir in einer kausalen Verbindung stehen. Wenn im australischen Busch ein Feuer ausbricht und die Aborigines «Waboo!!!» rufen, dann gehen wir davon aus, dass der Ausdruck «Waboo» Feuer bedeutet, denn das Feuer war die Ursache ihrer Äusserung.
Wenden wir diese Einsicht auf das Gehirn im Tank an: Angenommen, die Person, deren Gehirn in Nährlösung schwimmt, glaubt, einen Baum vor sich zu sehen. Natürlich wurde dieser Wahrnehmungseindruck nicht von einem Baum verursacht, sondern von dem Supercomputer, mit dem das Gehirn verbunden ist.
Wenn die Person seit ihrer Geburt an diesen Computer angeschlossen ist, dann hatte sie also noch nie Kontakt mit richtigen Bäumen. Alle ihre Baumwahrnehmungen wurden nicht von Bäumen, sondern von dem Computer ausgelöst.
Ich kann kein Gehirn im Tank sein!
Wenn sich das Wort «Baum» also auf die Ursache von Baumwahrnehmungen bezieht, dann bezieht sich die Person, deren Gehirn im Tank schwimmt, mit dem Wort «Baum» auf Computerbefehle. Sie kann sich unmöglich auf wirkliche Bäume beziehen. Genauso wenig kann sie sich jedoch auf Gehirne beziehen. Sie hat nämlich noch nie wirklich ein Gehirn gesehen.
Daraus folgt: Der Gedanke, dass ich ein Gehirn im Tank bin, muss immer falsch sein. Entweder bin ich ein Gehirn im Tank: dann kann ich unmöglich denken, ich sei ein Gehirn im Tank. Oder ich bin kein Gehirn im Tank: dann kann ich es zwar denken, liege damit aber falsch. So ähnlich argumentiert Putnam, um den Skeptiker zu widerlegen. Überzeugt Sie das? Sind Sie ein Skeptiker? – Machen Sie den Selbsttest !