Gedankenexperimente sind eine Königsdisziplin der Physik. Von Isaac Newton über Albert Einstein bis heute fragen sich Physiker und Physikerinnen immer wieder gerne: «Was wäre wenn?» Sie denken sich Szenarien aus, die ihnen helfen, eine neue Theorie zu entwerfen.
Oder sie wägen mit Experimenten im Kopf verschiedene physikalische Theorien gegeneinander ab. Manchmal bringen sie mit einem Gedankenexperiment auch zum Ausdruck, dass eine Theorie für sie rätselhaft ist.
«Ein burlesker Fall»
Das wohl berühmteste Beispiel für ein solches Gedankenexperiment-Rätsel stammt vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger. Der schlug sich 1935 mit der Interpretation der Quantenmechanik herum und nahm beim Nachdenken folgenden «burlesken Fall» zu Hilfe, wie er schrieb.
«Eine Katze wird in eine Strahlenkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine: In einem Geigerzähler befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, dass im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, vielleicht auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert.»
Ganz schön paradox
Solange man nach der abgelaufenen Stunde nicht in die Kammer schaut, kann man nicht wissen, ob die Katze lebt oder tot ist. Sie ist irgendwie beides zusammen. Das sagt jedenfalls die Quantenphysik. Doch was, bitte schön, soll das bedeuten? Und kann eine Theorie, die so seltsame Dinge vorhersagt, tatsächlich als Abbild der Wirklichkeit gelten?
Schrödingers Katze sei eine Paradoxie, sagt der Wissenschaftsphilosoph Wolfgang Spohn von der Universität Konstanz. Und zwar eine, die bis heute nicht aufgelöst sei. Noch immer ist unklar, wie man die Quantenphysik, die das Verhalten der kleinsten Teilchen der Materie sehr gut beschreibt, mit unserer Alltagswelt in Einklang bringen kann.
Die lebendig-tote Katze gibt in der Physik immer noch Anlass zu Diskussionen – für Spohn ein Zeichen dafür, dass es sich dabei um ein besonders gutes Gedankenexperiment handelt. Erwin Schrödinger hingegen war die Sache mit der Katze eher unangenehm bis ungeheuer. Er nannte seine Arbeit dazu seine «Generalbeichte».