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Porträt Friederike Schmitz
Legende: «Ich sehe eine grössere Bewegung hin zu mehr Sensibilität gegenüber Tieren.» sagt Friederike Schmitz. SRF / Cecilia Bozzoli / Nino Christen

Gedankenspiel Menschenfleisch «Wir beuten Tiere aus, weil wir es können»

Dürfen wir Tieren etwas antun, das man Menschen nicht antun darf? Moralisch rechtfertigen könne man das nicht, sagt Autorin und Philosophin Friederike Schmitz.

SRF: Im Gedankenexperiment « Menschenfleisch » besiedeln hochintelligente Aliens die Erde, und behandeln Menschen, wie wir die Tiere behandeln. Ist dieser Perspektivenwechsel gerechtfertigt?

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Friederike Schmitz: Er ist berechtigt und lehrreich, weil es grosse Ähnlichkeiten in der Situation gibt. Wir sind Tieren in manchen Hinsichten überlegen.

In welchen?

Wir haben bestimmte geistige Fähigkeiten, die Tiere nicht haben und die uns auch Macht über sie verschaffen. Das wird oft als Grund vorgehalten, Tiere für unsere Zwecke benutzen zu dürfen. Aber das Experiment zeigt ja ganz schön, dass gewisse Überlegenheiten nicht automatisch mit mehr Wert einhergehen.

Wodurch?

Wir beurteilen das Experiment moralisch als ungerecht, und das nicht nur, weil wir dabei die Benachteiligten sind.

Dürfen wir Tieren deshalb nichts antun, das man Menschen nicht auch zumuten darf?

Rechtfertigen kann man das nicht, denn sobald wir Gründe suchen, warum Tiere weniger zählen sollten, finden wir keine. Viele Eigenschaften, die angeführt werden, kommen gar nicht allen Menschen zu. Säuglinge zum Beispiel sind weder vernünftig noch besonders intelligent. Dann bleibt oft als Unterschied nur die blosse Eigenschaft, Mensch zu sein. Warum sollte das aber moralisch relevant sein?

Wenn es nicht relevant ist, woher rührt dann die Ungleichbehandlung?

Wir beuten die Tiere aus, weil wir es können und weil es uns Vorteile bringt – oder einigen von uns. Es ist typisch für Unterdrückungsverhältnisse, dass sie keine moralisch stichhaltige Begründung haben – es gilt das Recht des Stärkeren. Wenn wir uns fair verhalten wollen, müssen wir das ändern.

Sobald wir Gründe suchen, warum Tiere weniger zählen sollten, finden wir keine.
Autor: Friederike Schmitz Autorin und Philosophin

Sollen Tiere dazu dieselben Rechte wie Menschen erhalten?

Sie sollten zumindest die moralischen Grundrechte: Leben, Freiheit, Unversehrtheit haben. Wie wir das praktisch umsetzen, ist eine weitere Frage – juristisch verbürgte Rechte sind nicht unbedingt das beste Mittel. Menschen haben in der heutigen Welt auch Rechte, trotzdem gibt es schlimme Ungerechtigkeiten.

Fehlt Fleischessern die Moral?

Nein, die haben sie. Fleischkonsum ist nur ein Aspekt von vielen, wo wir uns moralisch richtiger oder weniger richtig verhalten können. Ich glaube, es gibt immer weniger Leute, die mit Überlegung und Überzeugung Fleisch essen. Viele Menschen setzen sich mit der Realität der Tierhaltung nicht ernsthaft auseinander, sind bequem und folgen einfach der Normalität.

Der globale Fleischkonsum nimmt zu. Obwohl das Bewusstsein steigt, ändert sich praktisch noch nichts.
Autor: Friederike Schmitz Autorin und Philosophin

In der Schweiz ernähren sich elf Prozent vegetarisch, drei Prozent vegan. Das Angebot an Veganem wächst. Sehen sie darin mehr als einen Lifestyle-Hype?

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Ich sehe eine grössere Bewegung hin zu mehr Sensibilität gegenüber Tieren. Über Moral und Tierrechte wird häufiger diskutiert, noch ist dies aber eine sehr kleine Bewegung, der machtvolle Entwicklungen entgegenstehen: Der globale Fleischkonsum nimmt zu. Obwohl das Bewusstsein steigt, ändert sich praktisch noch nichts. Wenn wir die Ungerechtigkeit im Umgang mit Tieren erkennen, müssen wir auch politisch dagegen aktiv werden.

Es ist nicht leicht konsequent moralisch richtig zu handeln.

Ja, und deswegen finde ich problematisch, die gesamte Verantwortung immer dem Konsumenten zuzuschieben. Wir treffen folgenschwere moralische Konsumentscheidungen unter Stress an der Supermarktkasse, anstatt sie als Gemeinschaft anzugehen. Die Weise, wie die Produkte entstehen, können wir nicht allein mit der Konsumentscheidung beeinflussen. Das fertige Angebot ist bereits das Problem. Es gilt deshalb, Vorbedingungen zu hinterfragen.

Das Gespräch führte Sofiya Miroshnyk.

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