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Filosofix: Das Gedankenexperiment «Kind im Teich»
Aus Filosofix vom 04.01.2016.
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Filosofix Müssen wir helfen? Gedankenexperiment: Kind im Teich

Fast die Hälfte aller Menschen leben in Armut. Täglich sterben bis zu 25'000 Kinder an deren Folgen. Was tun? Wozu sind wir moralisch verpflichtet? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Gedankenexperiment «Kind im Teich». Der Erfinder meint, es sei unsere Pflicht, mehr zu spenden.

Dieses prominente Gedankenexperiment stammt vom australischen Philosophen Peter Singer. Singer ist ein überaus engagierter Denker, der sich für das Wohl der Tiere ebenso wie für die Bekämpfung der Armut einsetzt.

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Peter Singer erklärt sein Gedankenexperiment «Kind im Teich»
Aus Kultur Extras vom 18.01.2016.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 21 Sekunden.

Die Armut gehört zu den grössten Herausforderungen der Menschheit. Sie betrifft über 40 Prozent der Menschen. Den meisten davon mangelt es an Trinkwasser, Nahrung und Medikamenten. Täglich sterben 25‘000 Kinder an den Folgen der Armut. Peter Singer findet, wir könnten diese Kinder retten. Er glaubt, dass wir die Armut beseitigen können. Und er glaubt auch, dass wir moralisch dazu verpflichtet sind.

Das ertrinkende Kind

Wenn ein Kind vor unseren Augen ertrinkt, würde jeder von uns zustimmen, dass wir eine moralische Pflicht haben, das Leben des Kindes zu retten – auch wenn wir dabei unsere teuren Kleider ruinieren.

Nur wenige von uns würden aber behaupten, dass wir keine teuren Klamotten mehr kaufen dürfen, sondern das Geld für Entwicklungshilfe spenden müssten, um Kindern in Not zu helfen. Was also unterscheidet die Situation am Teich von der alltäglichen Situation?

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Die Philosophie stellt die ganz grossen Fragen und hilft uns mit Gedankenexperimenten, eigene Antworten zu finden. «Filosofix» stellt die wichtigsten Gedankenexperimente in animierten Kurzfilmen vor – eine unterhaltsame Anregung zum Selberdenken. Hier finden Sie:

Pflichten auf Distanz

Der offensichtlichste Unterscheid besteht in der Distanz: Das Kind im Teich stirbt vor unseren Augen, wogegen die Kinder in Afrika und Asien in weiter Entfernung sterben. «Aus den Augen, aus dem Sinn», sagt man. Ohne Nähe fehlen uns die antreibenden Emotionen.

Doch ist die Distanz auch moralisch relevant? Sind Menschen weniger wert, weil sie in weiter Entfernung leben? Wohl kaum. Könnten wir das Kind in Afrika nämlich per Knopfdruck retten oder mithilfe von superlangen Armen, dann sollten wir das unbedingt tun. Oder etwa nicht?

Indirekte und ineffiziente Hilfe?

Ist es vielleicht die fehlende Direktheit? Da wir in Europa leben, können wir nicht direkt vor Ort mit anpacken, sondern müssen andere bei der Hilfe finanziell unterstützen. Aber man könnte auch die Teich-Situation variieren, sodass man selbst Nichtschwimmer ist und das Kind nur retten kann, indem man eine Münze in einen schwimmenden Rettungsroboter wirft. Dieser schwimmt zum Kind und rettet es. Klar müsste man dann zahlen!

Aber vielleicht werden Sie nun sagen: Bei vielen Hilfsorganisationen versickert das gespendete Geld und es ist unsicher, ob die Hilfe überhaupt ankommt. Nehmen wir an, der Rettungsroboter hat nur zu 50 Prozent Erfolg. In jedem zweiten Fall stirbt das Kind im Teich. Würden Sie deswegen keine Münze einwerfen?

Es gibt noch weitere Unterschiede zwischen dem ertrinkenden Kind und Kindern, die an Armut sterben. Am Teich sind Sie die einzige Person, die das Kind retten kann, während es in der Welt Millionen von anderen Menschen gibt, die auch spenden könnten. Aber ist das ein Grund, nicht zu spenden? Angenommen, neben Ihnen stehen drei weitere Menschen um den Teich, aber niemand geht hinein. Verringert das Ihre Pflicht, das Kind zu retten?

Ein Tropfen auf den heissen Stein

Ist vielleicht nicht die Anzahl der Helfer, sondern die Anzahl der Betroffenen moralisch relevant? Was wäre, wenn nicht ein einzelnes Kind, sondern derer drei im Teich zu ertrinken drohen und Sie können nur eines retten? Dies entspricht eher der realen Situation, in der täglich 25‘000 Kinder an Armut sterben. Aber entbindet Sie das von der Pflicht zu helfen? Besser nicht helfen, als willkürlich ein Kind auszuwählen und zwei sterben zu lassen?

Man kann die Sache drehen und wenden wie man will: Es bleibt äusserst schwierig, moralisch relevante Unterschiede festzumachen zwischen dem ertrinkenden Kind vor unseren Augen und einem verhungernden Kind in Afrika. Was folgern wir daraus? Müssen wir mehr spenden?

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