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Genussmensch im Gespräch Was kochen wir bloss zu Weihnachten, Christian Seiler?

Christian Seiler schreibt voller Poesie, Leidenschaft und Witz über Essen und Genuss. Nun legt der Kulturjournalist ein neues Werk über Rezepte und ihre Geschichten vor. Ein Gespräch über die hohe Kunst des Kochens, unter besonderer Berücksichtigung des Wahnsinns, der uns mit Weihnachten vor der Küchentür steht.

Christian Seiler

Autor und Journalist

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Christian Seiler, Jahrgang 1961, war Kulturredaktor der

«Weltwoche» und Chefredaktor von «profil» und dem «Du»-Magazin. Heute schreibt er als selbstständiger Reporter und Kolumnist für diverse Zeitschriften übers Essen, Trinken und Reisen, unter anderem für das «Magazin». Er hat mehrere Bücher zum Thema Essen veröffentlicht.

SRF: In «Alles wird gut» widmen Sie Weihnachten fast ein ganzes Kapitel. «Kocht am besten etwas, was ihr gerne und immer kocht», schreiben Sie. Warum das?

Christian Seiler: Weihnachten ist sowieso immer ein totaler Stress, das Schlimmste ist, wenn man etwas Besonderes für diesen besonderen Tag kochen möchte. Dann hat man natürlich einen besonders grossen Stress.

Die einfachste Faustregel für Weihnachten: Maximal drei Gänge, davon zwei Gänge einkaufen. Den einen Gang, den man kocht, sollte man so wählen, dass es Wurst ist, ob der jetzt noch eine halbe Stunde länger im Ofen ist.

Dann wird Weihnachten ein Erfolg, und man kann entspannt mit den Kindern noch ein Weihnachtslied singen, bevor man isst.

Bei Ihnen gibt es zu Weihnachten immer Lachs nach Tanja Grandits und Gurkensalat. Sie schreiben, dass Sie das mittlerweile so oft gekocht haben, dass Sie sich nicht mehr sicher sind, ob Tanja Grandits das Rezept nicht von Ihnen hat.

Das ist natürlich eine wahnsinnige Anmassung von mir. Aber so funktioniert das mit Rezepten! Leute kommen zu dir nach Hause und man kocht für sie. Ein Jahr später kommen sie wieder und man kocht vielleicht wieder dasselbe und irgendwann rufen sie an und wollen das Rezept von deinem Lachs.

Der Lachs, der Senf liebt – ein Weihnachtsrezept

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Lachs, glasiert mit Chili-Gurken-Salat

Eines meiner liebsten Fischrezepte stammt von Tanja Grandits, ich habe es oft gekocht und seit einigen Jahren zum Weihnachtsessen befördert. Im Mittelpunkt steht dabei eine Schnitte Lachs, ein Fisch, den man nur mehr bei besonders vertrauenswürdigen Fischhändlern einkaufen sollte, idealerweise in Wildfangqualität. Grandits kombiniert den Lachs mit asiatischen Akzenten und einem fantastischen Gurkensalat, der seither so oder leicht variiert schon viele meiner Speisen begleitet hat. Das Rezept macht insgesamt ein bisschen Arbeit, die aber lehrreich und unterhaltsam ist.

( Für die Senfglasur )

80 ml Teriyakisauce

1 EL Ingwer, gehackt

1 kleine Knoblauchzehe, fein gehackt

Je 1 EL Honig und Senf

½ TL Reisessig

Alle Zutaten für die Glasur in einem Topf mischen, aufkochen und bei niedriger Hitze sirupartig einkochen.

500 g Lachsfilet, ohne Haut, in 4 gleiche Stücke geschnitten

1 EL Sojasauce

Pfeffer, frisch gemahlen

1 TL Olivenöl

Die Lachsstücke mit Sojasauce und Pfeffer würzen. Im auf 80° C vorgeheizten Ofen 8 Minuten erwärmen. Herausnehmen und die Ofentemperatur auf höchste Stufe Oberhitze erhöhen. (Grandits schlägt vor, den Lachs jetzt noch auf beiden Seiten kurz anzubraten. Diesen Schritt lasse ich aus, weil es mir lieber ist, wenn der Lachs innen noch eine Spur glasig ist). Dick mit der Glasur bestreichen und kurz unter dem Backofengrill glasieren.

( Für den Chili-Gurken-Salat )

1 grosse Salatgurke

Der Saft von 2 Zitronen

100 g Zucker

½ TL Salz

1 rote Chili, entkernt und fein geschnitten

1 Frühlingszwiebel, schräg in Streifen geschnitten

2 EL Korianderblätter, grob gehackt

Für den Salat die Gurke schälen und in feine Scheiben hobeln. Mit Zitronensaft, Zucker und Salz vermischen und 15 Minuten im Kühlschrank marinieren. Dann die Flüssigkeit abgiessen und den Salat mit Chili und Koriander mischen.

Den Lachs auf dem Gurkensalat anrichten und die Frühlingszwiebelstreifen darüberstreuen.

Quelle: Christian Seiler: Alles wird gut. Rezepte und ihre Geschichten. Basel: Echtzeit Verlag, 2022.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie das Essen zu Ihrem Lebensinhalt gemacht haben?

Mir gefällt vor allem die Herausforderung, über Essen zu schreiben. Als Kulturjournalist habe ich besonders gerne über Musik geschrieben. Dabei habe ich festgestellt, dass man dafür eine gedankliche und sprachliche Welt erschaffen muss.

Das Schreiben über Essen und Trinken stellt genau dieselben Anforderungen wie das Schreiben über Musik. Es geht darum, sinnliche und sensorische Phänomene in Sprache zu verwandeln und diese mit einer gewissen Poesie zu vermitteln.

Hören Sie Musik zum Kochen?

Ich höre sehr viel Musik, nicht nur beim Kochen, sondern auch beim Schreiben.

Was muss diese Musik erfüllen?

Beim Schreiben ist die Voraussetzung in der Regel, dass es keine deutschsprachige Musik sein darf. Das lenkt zu sehr ab. In der Küche höre ich dagegen sehr gerne deutschsprachige Musik. Ich liebe zum Beispiel Thees Uhlmann, ein fantastischer Rockmusiker mit lustigen Texten.

Ich musste meine Grossmutter fragen, was für ein Spiegelei in die Pfanne gehört.

Wann haben Sie das erste Mal etwas gekocht?

Als ich meine erste eigene Wohnung bezogen habe, das möchte man nicht nochmal erleben! Damals hat es mir am Nötigsten gefehlt. Ich musste bei meiner Grossmutter anrufen, um sie zu fragen, was für ein Spiegelei alles in die Pfanne gehört.

Ich bin dann aber relativ rasch besser geworden, da es ja viele Gerichte gibt, bei denen man schnell zum Erfolg kommt. Das ist auch etwas, was an der Arbeit in der Küche so wunderbar ist: Wenn man vier Gerichte kochen kann, kann man diese Bausteine neu zusammensetzen, mischen und spielen.

Auch Ihr Sohn hat eine Leidenschaft fürs Kochen entwickelt. Wie gehen Sie damit um?

Es ist sehr schön zu sehen, dass er so eine Freude am Kochen hat. Das erste Mal, dass er in einem Sternerestaurant war, war er zehn Tage alt. Jetzt ist er 21 und Mitglied der fleischskeptischen Jugendbewegung.

Diese Diskussionen mit meinem Sohn über Essen und Kochen sind unglaublich fruchtbar. Er hat mich auch dazu animiert, einige Rezepte in meinem Buch anzupassen und zum Beispiel Gerichten mit Sojahack offen gegenüberzustehen.

Wie oft kommentieren Sie Kochen und Essen in Ihrem privaten Umfeld?

Ich sage sehr oft etwas. Zum Beispiel, wenn ich etwas gut finde. Ausserdem ist die Spitzengastronomie nicht der Massstab für mich. Eine gute Pasta mit einer guten Bolognese-Sauce, oder auch nur mit reifen Tomaten, kann ein grossartiges Weltklassegericht sein.

Eine gute Pasta beseelt mich und macht mich im Augenblick verliebt. Ich versuche dann auch, das so langsam wie möglich aufzuessen.

Ein Teller Spaghetti Bolognese, daneben Weissbrot, Pfeffer und Parmesan
Legende: Die Kunst der Einfachheit: Für Christian Seiler sind auch simple Gerichte wie Pasta mit Bolognese-Sauce ein Hochgenuss. Getty Images/luchezar

Da schwingt auch die Sehnsucht mit, diese Momente immer wieder von Neuem zu erschaffen. Wie gehen Sie damit um, dass das nicht immer möglich ist?

Das akzeptiere ich einfach. Ich bin ja auch nicht auf der Suche nach der permanenten Ekstase. Ich weiss, dass es eine Dramaturgie gibt: Man muss gewisse Tiefen zulassen, damit es Höhen gibt.

Letzte Frage: Was würden Sie essen, wenn Sie noch 48 Stunden zu leben hätten?

Auf jeden Fall einen Hokkaido-Seeigel in einer ganz feinen Tempura-Hülle. Das ist etwas vom Besten auf der Welt. Dann würde ich wahrscheinlich die Markknochen von Fergus Henderson ordern. Als Nachspeise gäbe es frische Erdbeeren mit Sahne.

Das Gespräch führte Hannes Hug.

Buchhinweis

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Christian Seiler: Alles wird gut. Rezepte und ihre Geschichten. Basel: Echtzeit Verlag, 2022.

SRF 3, Focus, 12.12.2022, 20:03 ; 

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