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Geschichte einer Schuhmarke Stiefel, Macht und Marketing: Die Story hinter den Bally-Schuhen

Stiefeletten ohne Knöpfe, halbhohe Schuhe ohne Schnürsenkel, dafür ein elastisches Band: Wie der Schweizer Schuhproduzent Bally zur international bekannten Marke wurde.

Die Geschichte der Schuhfabrik beginnt mit Franz Ulrich Bally, der 1765 aus Vorarlberg in die Schweiz einwandert. Er kann weder lesen noch schreiben und findet zunächst als Maurer bei einem Seidenband-Fabrikanten in Aarau eine Arbeit. Bald steigt er selbst in den Bandhandel ein und lässt sich in Schönenwerd nieder.

Antiker schwarzer Schuh mit Absatz und abgenutztem Obermaterial.
Legende: Da Bally schon vor der Schuhfabrikation elastische Bänder herstellte, galten Modelle wie die «Damen-Stiefelette mit Elastikeinsatz» als Raison d’être des Bally-Schuhs (um 1875). Bally Schuhfabriken AG/Nicole Hänni

Einer seiner Söhne kommt auf die Idee, vulkanisierten Naturkautschuk in die Bänder einweben zu lassen. Diese werden dadurch elastisch und zu einer Errungenschaft: Sie dienen als Strumpfhalter und Hosenträger.

Vorsprung dank Elastikband

Ein Nachfahre aus der dritten Generation, Carl Franz Bally, kommt auf eine weitere Idee: Mit dem praktischen Gummiband lassen sich auch halbhohe Schuhe ausrüsten. Damit wird das An- und Ausziehen erleichtert – ohne Schnürsenkel oder Knöpfe. 1851 lässt er von einem Schuhmacher einen Prototyp herstellen und drei Jahre später eine Fabrik bauen.

Ein typisches Beispiel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte, findet Philipp Abegg, der zusammen mit Martin Matter die Geschichte des Unternehmens aufgezeichnet hat.

Buchhinweis

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Philipp Abegg und Martin Matter: «Bally. Geschichte eines Schweizer Unternehmens». Hier und Jetzt, 2025.

«Bally konnte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von einem günstigen politischen Umfeld profitieren und von der Möglichkeit, viele billige Arbeitskräfte zu rekrutieren», ergänzt Abegg.

Frauen arbeiten an einer Produktionslinie in einer Fabrik.
Legende: Fliessbandarbeit in der Gummistiefelproduktion bei Bally: Die eintönige Arbeit wurde von Frauen erledigt (1951). Bally Schuhfabriken AG

Für das Personal richtet der Unternehmer 1855 eine Krankenkasse ein, drei Jahre später lässt er für die Belegschaft eine Wohnsiedlung errichten. Bald expandiert das Unternehmen ins Ausland. Um 1900 hat Bally 7000 Beschäftigte, darunter viele Frauen. Die meisten leisten im Zehn-Stunden-Tag monotone Akkordarbeit.

Der Weg zur Weltmarke

Die ersten Bally-Modelle sind solide und preisgünstige Alltagsschuhe und tragen kein Firmen-Etikett. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wird die Marke lanciert, begleitet von Werbekampagnen mit Plakaten, Schaufenstern und schicken Ladenlokalen.

Aussenansicht eines Bally-Geschäftes mit Schaufenster.
Legende: In den Metropolen, wie hier in Paris, konnte der Auftritt der Marke Bally zeitgemäss bis avantgardistisch sein. (Ladenfront am Boulevard de la Madeleine, um 1930) Bally Schuhfabriken AG

Dieses Marketing wirkt den Absatzkrisen, etwa in den 1930er-Jahren, entgegen. Zudem hilft zu der Zeit das Lobbying im Bundeshaus, sagt Abegg mit Blick auf die «Bally-Herren»: «Sie setzten durch, dass der Bundesrat ein Verbot erliess und damit verhinderte, dass weitere Schuhfabriken und Schuhläden eröffnet wurden. Das war eine protektionistische Massnahme, die gegen Bata gerichtet war.»

Drei vintage Schuhkartons, verschiedene Farben und Designs.
Legende: Alte Schachtel? Bei der Entwicklung des modernen Marketings und der Schaffung der Marke Bally spielte die Schuhschachtel eine wichtige Rolle (um 1900). Stiftung Ballyana/Nicole Hänni

Bald darauf aber, 1938, kommt die Firma selbst unter Druck: Mit dem sogenannten «Anschluss» Österreichs an das Deutsche Reich übernimmt Bally die Vorgaben der Nationalsozialisten. Das Unternehmen kauft in seiner Tochterfirma in Wien, diejenigen Anteile auf, die bisher einem jüdischen Mitbesitzer gehört haben, und entlässt das jüdische Personal.

Für die Kriegswirtschaft

Für Abegg, der die Ballyana-Stiftung präsidiert, ist das ein «hässliches Kapitel» in der Firmengeschichte: «Die Wiener Fabrik wurde arisiert. Während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs hat Bally Wien für den deutschen Markt gearbeitet und komplett auf die Kriegswirtschaft umgestellt.» Wie dies geschah, arbeitete Ende der 1990er-Jahre die Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg auf.

Die letzten 20 Jahre der Firmengeschichte – bis Bally 1999 an ausländische Käufer übergeht – werden im Buch nur knapp skizziert. Auch wenn diese Recherche noch aussteht, rollt das neue Buch zu Bally sehr informativ und reich illustriert Schweizer Wirtschaftsgeschichte auf.

Radio SRF 4 News, 27.10.2025, 7:25 Uhr

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