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Geschlechtergerechte Sprache Wie klingt das Gendersternchen?

Wie sagt man «Arbeiter*innen» oder «Spion_In»? Die Aussprache von Gendersternchen oder Gendergap kann lächerlich wirken.

Auch wenn das generische Maskulinum bei der Kranfahrer, der Astronaut, der Spion grammatikalisch gesehen geschlechtsunabhängig ist, suggeriert es uns doch: Da sitzt ein Mann am Steuer des Krans, ein Mann steuert die Rakete, und es ist James Bond, der als Agent die Ermittlungen leitet.

Damit sich auch Frauen angesprochen fühlen, sagt man politisch korrekt also: Die Kranfahrerin und der Kranfahrer, der Astronaut und die Astronautin, die Spionin und der Spion.

Das ist alles so politisch korrekt wie schön und gut, der Wirkung helfe es aber beizeiten wenig, sagt Sieglinde Geisel, Literaturkritikerin bei Radio SRF 2 Kultur und Literatin: «Das Gendern, vor allem die Manipulation im Wort-Inneren, nimmt der Aussage die Energie.»

«Arbeiter_innen, zu den Waffen!»

Das Benennen beider Formen ist das eine. Viel gravierender wirkt sich das Gendersternchen auf den Sprechfluss und unsere Sprechrhythmik aus: Der Versuch, das Sternchen oder die Lücke im Wort-Inneren auzusprechen, hört sich an wie Stolpern.

Sieglinde Geisel findet: «Wenn ich in einer Rede sage ‹Arbeiter_innen, zu den Waffen!›, ist das lächerlich. Das widerspricht meinem Wunsch, Wirkung zu erzielen.»

Nun ist ein wesentlicher Streitpunkt bei der Gendersprach-Debatte das generische Maskulinum – wie beim Kranfahrer oder der Astronauten. Es gibt Linguisten, die sagen, Genus sei nicht gleich Sexus. Das grammatikalische Geschlecht habe mit dem natürlichen Geschlecht nichts zu tun. Wenn von Kranfahrern die Rede ist, seien natürlich auch immer Frauen mitgemeint.

Studierende können nicht schlafen

Man behilft sich nun häufig mit dem Partizip Präsens. Aus «Student» wird «Studierender» – in der Hoffnung, dass sich auch Frauen angesprochen fühlen.

Allerdings sehr zum Leid der Sprachliebhaber: «Man redet von Studierenden: ‹Ich bin mit den Studierenden essen gegangen.› Und das stimmt nicht. Studierende können nicht essen, weil das Partizip Präsens ausdrückt, was jemand in genau diesem Moment tut. Sie wären dann Essende. Und so können Studierende auch nie schlafen, weil sie dann nämlich nicht studieren.»

Ist Gendern eine Ersatzschlacht?

Sprache kann eine Wahrnehmung verstärken oder auch abschwächen. Psychologische Tests sollen mittlerweile bewiesen haben, dass sich deutschsprechende Menschen unter Astronauten und Spionen eben doch mehr Männer als Frauen vorstellen. Sollen wir die Sprache ändern, damit auch Frauen zukünftig häufiger ins All fliegen?

«Ich habe manchmal den Verdacht, das ist eine Ersatzschlacht», sagt Geisel. «Gendern ist viel einfacher, als die Verhältnisse zu ändern, die dazu geführt haben, dass Sprache so ist, wie sie ist.»

Endlich wieder reden können

Denn dass wir bei Kranfahrern, Astronauten und Spionen Männer assoziieren, hat damit zu tun, dass diese Rollen mehrheitlich von Männern ausgeübt werden. Wenn sich Kinder unter Astronauten auch Frauen vorstellen sollen, so müssten mehr Astronautinnen ins All geschickt werden, als sie nur sprachlich hervorzuheben.

Für den Moment jedenfalls gibt es nicht die Lösung. Sieglinde Geisel rät ihren Studentinnen und Studenten: «Mein Vorschlag ist, man sagt vorher an, dass man das generische Maskulinum verwendet oder – ganz fortschrittlich – ein generisches Femininum und meint alle Männer mit. Man holt sich so eine Absolution, damit man endlich wieder reden kann.»

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