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Ein schwarz bekleideter Mann zerstört mit einem Presslufthammer eine grosse Figur aus Stein.
Legende: Mosul, Irak: Ein Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat zerstört eine assyrische Statue. Keystone

Gesellschaft & Religion Asyl für syrische Kulturgüter in der Schweiz

Die Terrormiliz Islamischer Staat zerstört in Syrien und im Irak willentlich Kulturgüter von unschätzbarem Wert – die schockierenden Bilder gehen um die Welt. In Zukunft könnten Kunstschätze in der Schweiz in Sicherheit gebracht werden. Legal und hoch offiziell: eine Weltneuheit.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ist derzeit dabei, eine Kaverne als «Bergungsort» für Kulturgüter aus Syrien und dem Irak einzurichten. In diesem sogenannten «Safe Haven» könnten Museumsobjekte, Statuen, etc., bis der Krieg zu Ende ist, in Sicherheit gebracht werden. Ein entsprechendes Gesetz ist seit Anfang Jahr in Kraft. Die Schweiz wäre das erste Land, das gefährdeten Kulturgütern hochoffiziell temporäres Asyl bietet. Allerdings will der Bund das Vorhaben nur in die Tat umsetzen, wenn die Unesco dieses offiziell betreut.

Missglückter Rettungsversuch

Die Idee eines sicheren Hafens ist nicht neu. Bereits in der Vergangenheit brachten Staaten ihre von Kriegen bedrohten Kulturgüter ausser Landes. Allerdings nicht legal.

Auch Paul Bucherer, ehemaliger Direktor des Afghanistan-Museums in Bubendorf bot 2001 während des Afghanistan-Konflikts Hilfe an. Im Keller des Museums im Baselbiet liess er eigens für diesen Zweck einen Schutzraum bauen. Darin sollten Kulturgüter aus dem Nationalmuseum Kabul Unterschlupf finden. Mit gemässigten Taliban vereinbarte er eine Nacht- und Nebelaktion.

Bucherer: «Die Idee war, eine mit humanitären Hilfsgütern gefüllte Hercules Transportmaschine nach Kabul zu fliegen, dort alles auszuladen und dann schlafen zu gehen. Am nächsten Morgen hätte sich der Pilot darüber gewundert, wie schwer das doch eigentlich leere Flugzeug ist.»

Der Bund wollte den Transfer erst finanzieren. Doch die Unesco stellte sich gegen die Hilfsaktion, weil es keine gesetzliche Grundlage dafür gab. Der Bund krebste zurück. Die Schätze im Nationalmuseum Kabul wurden zerstört.

Rasches, persönliches Handeln

Damals wurde die Initiative ergriffen, um für weitere Rettungsaktionen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Seit Anfang 2015 nun gibt es also die Möglichkeit, Kulturgüter legal in die Schweiz zu fliegen. Ob diese auch wirklich zur Anwendung kommt, bezweifelt Bucherer aber stark.

Wochenlange Abklärungen durch Juristen und Bürokraten würden dem Unterfangen im Wege stehen. Zudem brauche es eine Vertrauensbasis. Persönliche Beziehungen spielten in solchen Ländern die Hauptrolle. Bucherer schlägt deshalb vor, einen Kulturbotschafter zu ernennen, der die kommenden Jahre weltweit mit Institutionen Kontakt aufbauen, Vertrauen schaffen und rechtzeitig etwas bewirken könnte.

Zu viele Hindernisse

Dass die Schweiz Hilfe leisten will, begrüsst auch Mirko Novák, Professor für Vorderasiatische Archäologie an der Universität Bern. Jahrelang leitete er in Syrien Ausgrabungen. Eine reale Chance räumt er der Idee des Bundes allerdings nicht ein. Novák: «Mit welcher syrischen Regierung würde die Unesco zusammenarbeiten? Mit der offiziellen, oder mit der vom Westen anerkannten? Und mit wem verhandelt man nach dem Krieg? Nehmen wir the worst case an: Der IS kann sich dursetzen und fordert dann die Rückgabe dieser Kulturgüter, um sie beispielsweise publikumswirksam zerstören zu können. Würde man eine solche Regierung anerkennen? Würde man ihr diese Objekte zurückgeben?»

Zudem ginge es jetzt vor allem um gefährdete immobile Güter, die nicht in einen Flieger gepackt werden könnten.

Hilfe zur Selbsthilfe

Novák könnte sich aber vorstellen, dass man beschlagnahmte Objekte, die auf dem illegalen Markt auftauchen, in einem Schweizer «Save Haven» zu deponieren. Als Sofortmassnahme schlägt der Experte Hilfe zur Selbsthilfe vor. Die Schweiz solle Syrer in unserem Land für fachmännische Restaurierungen und den Wiederaufbau von Museen ausbilden lassen. Ein pragmatischer Ansatz für die Zeit nach dem Krieg. Im Juni will Novák an einer Schweizer Tagung über diese Idee diskutieren.

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