Er nennt sich Abu Hamza al-Tunsi. Er war 29, als er wenige Monate nach Ausbruch der tunesischen Revolution nach Libyen zog, um dort Arbeit zu suchen. Zwar wurde er nicht fündig, aber er traf auf einen netten Herrn aus den Golfstaaten, der viel Verständnis für seine Situation zeigte und ihm schon bald einen Vorschlag machte: nach Syrien zu gehen und für eine gute Sache zu kämpfen.
Schon bald zog Abu Hamza al-tunsi in den Dschihad. Der Vorbereitungskurs, die Reise, die Ausrüstung: alles finanziert. Dazu kam noch eine Art Sold, die der junge, mittellose Mann bestens gebrauchen konnte. Ausserdem hatte er seit langen Jahren Sympathien für die Islamisten gehabt. Nun war die Gelegenheit da zu handeln, einer guten Sache zum Durchbruch zu verhelfen.
Von Alpträumen verflogt
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So jedenfalls erzählt Abu Hamza al-Tunsi, was ihm vor mehr als vier Jahren geschehen ist. Seinen wirklichen Namen will der Mann, den wir in einem Dorf im tunesischen Hinterland treffen, nicht nennen. Denn er ist im Frühjahr 2014 desertiert, über Libyen an die tunesische Grenze geflüchtet und von dort mithilfe eines Schleppers heimlich eingereist. Nun versteckt er sich in seinem Dorf. Alpträume verfolgen ihn und er kann nur noch mit starken Medikamenten schlafen. Seine Eltern wissen nicht, dass er in Syrien war und führen seine Verletzungen auf einen Überfall in Libyen zurück.
Leichen, Blut, zerfetzte Körper
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Was Abu Hamza al-Tunsi über seine Zeit als Kämpfer berichtet, ist grauenhaft. Jeden Tag Leichen, Blut, zerfetzte Körper, Schreie von sterbenden oder schwerverletzten Menschen. Ein eigenmächtig aufgezogenes Scharia-Gericht, das Leute für angebliche Delikte zum Tod verurteilt. Kämpfer zerstören Moscheen, weil sie im Innern Waffenlager vermuten, sie töten unschuldige Zivilisten, die um ihr Leben flehen, vergewaltigen Frauen.
Abu Hamza al-Tunsi versucht zu verdrängen, was er jeweils am Tag gesehen und erlebt hat. Er beginnt, immer mehr zu zweifeln. Schliesslich entscheidet er sich für die Flucht. Heute möchte er sein Jihad-Abenteuer am liebsten vergessen machen. Doch es gelingt ihm nicht.
Für einen Selbstmordanschlag vorbereitet
Eine andere Erfahrung machte ein junger Mann mit Behinderung Anfang 20. Er wurde ebenfalls von der IS-Terrormiliz rekrutiert und reiste via Libyen nach Syrien. Heute ist er wieder in Tunis, will aber keinen Kontakt zu Medien. Dafür spricht sein Bruder. Der 28-jährige Telecomingenieur Mohamed Iqbel Ben Rejeb erzählt, wie sein Bruder für einen Selbstmordanschlag vorbereitet wurde. Erst in letzter Minute und dank einer grossen Medienkampagne gelang es, ihn aus den Fängen des IS zu befreien. Nun hat er sein Studium wieder aufgenommen und will mit dem Dschihad nichts mehr zu tun haben.
Mohamed Iqbel Ben Rejeb hat sich nach dieser dramatischen Erfahrung entschlossen, einen Verein zu gründen. Dieser will jungen, reuigen Dschihadisten helfen, den Weg zurück in ein «normales» Leben zu finden. Ausserdem will er Eltern unterstützen, deren Söhne für den Dschihad angeworben wurden. Die Organisation heisst RATTA, die Abkürzung für «Rescue Association of Tunisians Trapped Abroad» – und auf die wartet noch viel Arbeit. Denn einige tausend junge Tunesier kämpfen weiterhin auf der Seite des IS in Syrien und im Irak.