Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer ist in den 1960er-Jahren Initiator des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt am Main. Ihm gelingt es massgeblich, die Massenmörder des Vernichtungslagers Auschwitz vor Gericht zu bringen. Am 20. Dezember 1963 beginnt der Prozess. Es gehe ihm nicht nur um die Ahndung von Straftaten, betont Bauer damals, sondern er wolle vor allem der deutschen Öffentlichkeit zeigen, was in Auschwitz wirklich passiert sei.
Die meisten Deutschen interessiert das nicht. Sie wollen lieber das Wirtschaftswunder geniessen. Bauer geht daher noch einen anderen Weg. Er unterstützt junge Schriftsteller, die sich mit der NS-Zeit auseinandersetzen – zum Beispiel Thomas Harlan, den Sohn des Nazi-Regisseurs Veit Harlan. Den Anwalt und den Schriftsteller verbindet eine langjährige Brieffreundschaft.
Dem NS-Regime ausgesetzt
Fritz Bauer wird 1903 als Sohn Stuttgarter Juden geboren. Schon mit 17 Jahren tritt er in die SPD ein. Als Jurastudent engagiert er sich für die demokratischen Werte der Weimarer Republik. 1930, zwei Jahre nach seiner Promotion, wird er der jüngste Amtsrichter im Deutschen Reich. Im März 1933 verhaftet ihn die Gestapo. Bauer kommt ins KZ Heuberg. Zwar wird er einige Monate später entlassen, ist aber fortan Repressalien des NS-Regimes ausgesetzt. Im März 1936 verlässt er Deutschland und geht zunächst nach Dänemark zu seiner Schwester und flieht dann nach Schweden.
1949 kehrt er nach Deutschland zurück und wird wieder als Jurist tätig. 1956 beruft ihn der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn zum Generalstaatsanwalt. Kurz darauf beginnt er mit den Vorbereitungen des Auschwitz-Prozesses. Damit verbunden ist seine Hoffnung, «dass die Deutschen die Bereitschaft zeigen, sich selbst zu reinigen, Gerichtstag über sich selbst zu halten», wie Werner Renz, Archivleiter des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main, sagt. Das Institut untersucht den Holocaust. Bauers Erwartungen an die Deutschen werden nicht erfüllt. Die meisten Deutschen verdrängen die NS-Zeit.
«Der Staat gegen Fritz Bauer»: Fiktion oder Realität?
Im Spielfilm «Der Staat gegen Fritz Bauer» wird erzählt, wie es dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gelingt, den Organisator des Holocausts, Adolf Eichmann, aufzuspüren. Eichmann hält sich in Argentinien versteckt. Bauer weiht nur seinen Dienstherrn ein, den hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn.
Mit Bauers Informationen gelingt es dem israelischen Geheimdienst, Eichmann 1960 in Argentinien zu kidnappen. Eichmann wird 1961 in Israel vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Im Film wird Bauer in seiner Arbeit von dem jungen fiktiven Staatsanwalt Karl Angermann unterstützt. In Wirklichkeit hatte Bauer einen kleinen Kreis von Staatsanwälten um sich, die zeitgleich zur Suche Eichmanns den Auschwitz-Prozess vorbereiten.
Fokus auf Widersacher
Der Film zeigt vor allem die Widersacher Bauers, die es tatsächlich in der Justiz gab, in der Politik und auch beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Die damalige Regierung unter Adenauer stellte auch keinen Antrag an die israelische Regierung, Eichmann nach Deutschland auszuliefern. «Man fürchtete», so Werner Renz vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt, «bei einem Prozess in Deutschland könnte Eichmann Angaben über ehemalige Nazis machen», die im Nachkriegsdeutschland wieder in Amt und Würden kamen.
Im Film fordert Bauer die Auslieferung Eichmanns nach Deutschland, doch Werner Renz bezweifelt, ob Bauer das wirklich wollte. Sein Vertrauen in die deutsche Strafjustiz sei nicht allzu gross gewesen. Bauer war laut Werner Renz «davon überzeugt, dass Eichmann in Jerusalem in besseren Händen ist».
Ein brodelnder Vulkan
Fritz Bauer wird von Burghart Klaussner gespielt. Ob er Bauer charakterlich gut trifft, kann der Zuschauer daran überprüfen, wie ihn ein Zeitzeuge beschreibt. Dieter Schmidt arbeitete als Personalreferent im hessischen Justizministerium. Er kannte Bauer gut. «Bauer war ein Mensch, der sehr eruptiv sein konnte. Ich hatte oft den Eindruck, wenn ich mit ihm in seinem Zimmer sass und irgendwelche Dinge besprach, als sei in ihm ein Vulkan. Er brodelte. Das war so seine Art. Er brummte dann auch manchmal so, bis er wieder etwas sagte», so Schmidt.
Von 1962 bis kurz vor seinem Tod 1968 korrespondiert Fritz Bauer mit dem Schriftsteller Thomas Harlan. Insgesamt hat er ihm über 120 Briefe geschrieben. Das Fritz-Bauer-Institut hat nun die Korrespondenz Bauers ausgewertet. Sie zeigen Bauers private Seite, die bisher fast unbekannt war.