Immer mehr Daten werden über uns gesammelt. Google, Facebook, Amazon und Co. machen uns zu gläsernen Bürgern und wissen bald mehr über uns als wir selbst, sagt der Soziologe Harald Welzer.
Denn je mehr Daten über uns die Internetkonzerne anhäufen, desto genauer können sie unsere Entscheidungen vorhersagen und steuern. In der Regel gilt nämlich: Wir kaufen diejenigen Produkte, die uns empfohlen werden.
Wenn Versicherungen unser Verhalten steuern
Welzer spinnt die Geschichte noch weiter: Die Datenprofile, die unterschiedliche Firmen über uns erstellen, seien nämlich zu einem einzigen Persönlichkeitsprofil verknüpfbar. Und das heisst nach Welzer, sie werden früher oder später auch wirklich verknüpft.
Dann aber ist es eine Frage der Zeit, bis Versicherungen unser Verhalten steuern, indem sie die Prämien erhöhen, sobald sie unsere Kreditkartenabrechnung erhalten und sehen, dass wir zu viel Süssigkeiten oder Zigaretten konsumieren.
Google – ein neuer Totalitarismus?
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Internetkonzerne wie Google wollen, wie sie selbst sagen, die Welt verbessern und unser Leben angenehmer machen. Doch Welzer sieht darin eine «Weltverbesserungsdiktatur», die zwar freundlich daherkommt, aber den Anfang vom Ende bedeutet.
Der Kapitalismuskritiker und Totalitarismus-Experte wagt in der «Sternstunde Philosophie» gar den Vergleich zwischen Hitler und Google. Und in seinem Ende April erscheinenden Buch «Autonomie. Eine Verteidigung» fragt er: «Was aber, wenn der Totalitarismus gar nicht in Uniform auftritt?»
Warum wir uns nicht wehren
Welzer liebt die Zuspitzung und hält es mit Adornos Diktum «Nur die Übertreibung ist wahr». Er sei zwar kein «Maschinenstürmer», aber sobald die Dinge uns die Entscheidungen abnehmen, seien wir definitiv zu weit gegangen. Dann haben wir unsere Autonomie verspielt.
Warum also wehren wir uns nicht? Welzers Antwort lautet: Weil es uns derzeit noch nicht weh tut. Weil die digitale Revolution unser Leben bequemer macht, die Technikfreunde ihren Spass haben und sich die Veränderungen prozesshaft und unbemerkt einschleichen. Die Frage ist also: Wie viel Selbstbestimmung wollen wir dem Spass opfern?