Pia Kjærsgaard strahlte, als sie zwei Wochen nach der Parlaments-Wahl im Juli 2015 den Vorsitz im dänischen Parlament übernahm. Sie hatte es geschafft. Das höchste Amt im Folketing, dem dänischen Parlament, ist für die 68-Jährige eine persönliche Genugtuung.
Der Triumph nach der Ächtung
Noch 1999 schlug der gelernten Altenpflegerin und ihrer «Dänischen Volkspartei» (DF) eine Welle der Ablehnung entgegen. So gaben es die Redner einer Folketing-Debatte zu Protokoll: «Eine abgrundtief primitive Form von Hass gegen Muslime ... Unwürdig, grenzenlos ekelhaft, un-dänisch, nicht stubenrein ... Die DF verkleidet soziale als ethnische Konflikte ... Sie spaltet die Gesellschaft ... Sie vergiftet die Gesellschaft ... Sie schafft Vorurteile und Feindbilder in einem unakzeptablen Mass.»
Das gipfelte in der Ächtung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen: «Aus meiner Sicht gesehen, stubenrein werdet ihr nie.»
Kalkulierter Hass gegen das Fremde
Der Anlass für den Entrüstungssturm: Kjærsgaard hatte auf dem DF-Parteitag 1999 eine Art Sippenhaft gefordert, sollte in einer Migranten-Familie jemand kriminell werden. Es war der Gipfelpunkt einer länger währenden Kampagne, die Muslime als nicht integrationsfähig erklärte.
Dabei hat Pia Kjærsgaard das Thema nicht erfunden, sondern von ihrem politischen Ziehvater Mogens Glistrup von der «Fortschrittspartei» übernommen. Schon dessen Ausländerpolitik war scharf kalkuliert, wie der Publizist Rune Engelbreth erklärt: «Als die ‹Fortschrittspartei› mit dem unzeitgemässen Thema Steuerflucht und Minimalstaat auf den Bankrott zuging, entdeckte man eine neue Agenda – das Verhältnis zu den Ausländern.» Damals in den 1980er-Jahren, so Engelbreth, hätte die ‹Fortschrittspartei› als erste begonnen, mit dem Finger auf Ausländer zu zeigen.
Glistrup war der charismatische Anführer einer Anti-Steuerbewegung, der in den 1970er-Jahren noch mit seinem Bekenntnis punktete, null Prozent Steuern zu zahlen, obwohl er Millionen verdiente. Seine Partei kam von null auf 19 Prozent. Pia Kjærsgaard scheiterte in seiner «Fortschrittspartei» zwar mit ihren Machtansprüchen, nahm aber 1995 zahlreiche Mitglieder in die von ihr gegründete DF mit, wo sie eine absolute Führungsrolle übernehmen konnte.
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Oberhoheit über das Ausländerrecht
Bei der DF wurden die marktliberalen Töne leiser. Stattdessen wollte man nun die Alten und Kranken vertreten und den dänischen Wohlfahrtsstaat vor Überfremdung schützen. Wie das zugehen sollte, zeigte sich recht bald. 2001 wurde die DF zur mehrheitsbildenden Stützpartei einer konservativ-liberalen Regierung, dem sogenannten «Blauen Block». Mit Duldung der DF konnte er bis 2011 drei Legislaturperioden durch regieren und so etwa die einschneidende Strukturreform 2007 durchführen. Die DF bekam im Gegenzug zur Duldung dieser Politik die Oberhoheit über das Ausländerrecht, was zu 64 Gesetzesänderungen in dieser Zeit führen sollte.
«Gleichzeitig hat sie es geschafft, die politische Verantwortung für Reformen des Sozialstaates von sich abzuschütteln, die sie selbst von 2001 bis 2011 unter Anders Fogh Rasmussen mitgetragen hat. Die Reform des Arbeitslosengeldes, die Reform der Vorruhestandsregelungen, der Renten und die Kommunalreform», so Pelle Dragsted, parlamentarischer Sprecher der linken Partei Enhedslisten.
Die Logik des Populismus
Diese Reformen, so Dragsted weiter, seien die Ursache für die zunehmende Zentralisierung gewesen, durch die sich die Lage auf dem Land immer weiter verschlechtert hätte.
Aber gerade die Opfer dieser Politik, die Dänen vom Lande, wählten im Sommer 2015 mehrheitlich DF. Es ist mit 21 Prozent das beste Ergebnis in einer Aufwärtstendenz, die seit Jahren anhält. Dabei hat die DF bis heute, wo sie die zweitstärkste Partei in Dänemark ist, nie ein Regierungsamt und somit politische Verantwortung übernommen. Stattdessen treibt sie die anderen Parteien mit ihrer Ausländer-Abschreckungspolitik vor sich her und hat mittlerweile das gesamte politische Spektrum Dänemarks kräftig nach rechts verrückt.