«Die gestohlene Revolution. Reise in mein zerstörtes Syrien» basiert auf drei Reisen, die die syrische Autorin und Journalistin Samar Yazbek 2012 und 2013 in ihre Heimat gemacht hat. Sie ist dafür illegal über die türkische Grenze gereist, da sie 2011 das Land verlassen musste und seither im Exil in Paris lebt. Das Buch ist gerade auf Deutsch erschienen.
Yazbek hatte sich aktiv an den friedlichen Anfängen der syrischen Revolution beteiligt, wurde als kritische Autorin vom Geheimdienst überwacht, als Alawitin bedroht und musste untertauchen. In ihrem Kriegstagebuch «Schrei nach Freiheit» hat sie diese ersten Monate der Revolution beschrieben.
Die Hoffnung macht der Verzweiflung Platz
Auch ihr zweites dokumentarisches Buch über Syrien ist tagebuchartig aufgebaut. Samar Yazbek beschreibt, was sie auf ihren heimlichen Reisen erlebt hat und welchen Weg die Revolution genommen hat.
Wie jihadistische Gruppen die Regionen im Norden Syriens unterlaufen haben, wie die Zivilbevölkerung unter Dauerbeschuss der Bomben des Assad-Regimes den Alltag zu meistern versucht und wie die Hoffnung auf Demokratie und Freiheit immer mehr der Verzweiflung Platz macht.
«Alles, was ich berichte, habe ich so erlebt»
Yazbek hat mit Aktivisten und Kämpfern gesprochen. Sie hat religiöse Führer und Dissidenten der syrischen Armee interviewt. Sie reist mit Journalisten und baut Projekte für Frauen auf. Das unterscheidet ihr Buch von journalistischen Berichten – es ist ein Zeugnis von innen: «Alles was ich berichte, habe ich so erlebt. Doch auch wenn ich wie eine Journalistin gearbeitet habe, war ich als syrische Schriftstellerin dort. Das ist ein Unterschied.»
Nach den zwei dokumentarischen Büchern schreibt Samar Yazbek zurzeit wieder an einem Roman. «Es war wie ein doppeltes Exil: Nicht in meiner Heimat leben zu können und als Künstlerin von der Literatur abgeschnitten zu sein», sagt Samar Yazbek. Doch auch der neue Roman handelt von Syrien, etwas anderes sei im Moment für sie nicht vorstellbar.
Zwischen Solidarität und Kunst
Viele syrische Künstler und Künstlerinnen haben ihr Land in den letzten Jahren verlassen müssen. Neben dem Überlebenskampf und der Organisation einer neuer Realität im Exil bleibt in ihrer künstlerischen Arbeit die aktuellen Situation in Syrien oft ein Thema.
Die Kunsthistorikerin Lena Maculan hat für den Berliner Off-Space Box Freiraum diesen Sommer eine Ausstellung organisiert: «Ich wollte mit meinen Mitteln und in meinem Kontext auf die Situation in Syrien reagieren.» Sie fragte die bekannte syrische Kuratorin Nour Wali, ob sie die Ausstellung kuratieren würde. Diese sagte zu.
«Wir wollten den Bildern von Zerstörung und Flucht starke künstlerische Positionen gegenüberstellen», sagt Lena Maculan. Elf bildende Künstler und Künstlerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen und aus verschiedenen Generationen nahmen an der Ausstellung teil, solche die heute im Exil leben, ein paar wenige, die noch in Syrien arbeiten.
Die Ausstellung « My voice rings out for Syria » war ein Erfolg. Lena Maculan freut sich vor allem, dass es gelungen ist, die Künstler zu vernetzen. «In der schnelllebigen Berliner Kunstwelt ist es nicht einfach, Kontakte zu schliessen, wenn man von aussen kommt und die Strukturen nicht kennt. Ausserdem war es für die syrischen Künstler wichtig, dass ihre Arbeiten hier wahrgenommen wurden, dass sie sich als Künstler und Künstlerinnen der Öffentlichkeit vorstellen konnten.»
Ein Statement für die Zukunft
Die Werke sind so unterschiedlich wie in anderen zeitgenössischen Kunstausstellungen auch. Krieg ist ein Thema, aber auch Freiheit und menschliche Werte, und – wie es die Kunst auszeichnet – sind viele der Bilder nicht einfach interpretierbar, sondern komplex und vielstimmig.
Das Cover des Katalogs etwa ziert eine neue Arbeit von Mouneer Al Shaarani . Sie verbindet eine zeitgenössische mit einer traditionellen Ästhetik, formale Strukturen mit arabischer Kalligraphie. Diese Arbeit sei auch ein Statement für die Zukunft, sagt die Kunsthistorikerin Lena Maculan: «Die Schriftzüge im Bild zitieren Tugenden wie Barmherzigkeit, Mut und Mitgefühl. Das sind Werte, die die Syrer und Syrerinnen gerade auch heute brauchen, um überleben zu können und die eigene Würde zu bewahren.»