Drei Anfänge von drei Schöpfungsmythen: «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer» (jüdisch-christlicher Mythos). «Als oben der Himmel noch nicht genannt war und unten die Erde noch nicht mit Namen benannt war, gab es doch Aptsu, Süsswasser, den ersten, ihren Erzeuger» (mesopotamischer Mythos). «Am Anfang war Orisha, der Mächtige. Orisha lebte allein in einer Hütte, die am Fuss eines grossen Felsen stand» (Yoruba-Mythos aus Nigeria).
In der Ausstellung «Kosmos – Rätsel der Menschheit» im Zürcher Museum Rietberg werden Mythen aus allen Zeiten und aller Welt in Dialog gesetzt: vom Hinduismus über den Islam bis zur europäischen Astronomie um 1600 als dem Beginn der Aufklärung.
Hochkulturen und Naturvölker im Dialog
«Kosmos», der griechische Titel der Ausstellung, bedeutet «Weltordnung». Zu sehen sind etwa eine prachtvolle Skulptur des Weltenberges der buddhistischen Tradition, über 2000 Jahre alte Papyrusblätter aus Ägypten oder der goldene Himmelsglobus des Schweizer Uhrmachers Jost Bürgi.
Gerahmt werden die historischen Exponate von filmischen Darstellungen der astrophysikalischen Erklärung des Universums. Albert Lutz, dem Direktor des Museums Rietberg, ist die kulturvergleichende Konzeption der Ausstellung ein wichtiges Anliegen: «Die sogenannten Naturvölker haben vielleicht keine Astronomie betrieben, aber dafür haben sie wunderbare Schöpfungsgeschichten ersonnen. Diese sind für uns genauso interessant wie die Kosmologien der Hochkulturen. Deswegen stellen wir sie gleichberechtigt nebeneinander.»
Überall gibt es Gemeinsamkeiten
Denn so unterschiedlich die 17 Erklärungen zur Beschaffenheit und Entstehung des Alls sind: Es gibt Gemeinsamkeiten. Beim Blick in die Sterne haben sich alle Menschen auf der ganzen Welt schon immer gefragt: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und wozu das Ganze? Um sich eine Antwort zu geben, haben sie religiöse, politische oder wissenschaftliche Erzählungen ersonnen. Bei einigen Aspekten gleichen sich diese: bei Gegensatzpaaren wie Licht und Dunkelheit, den vier Elementen oder der Dreiteilung von Himmel, Erde und Unterwelt.
Computerbilder und der Rabe Yehl
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Solche Gegenüberstellungen, die in der «Kosmos»-Ausstellung möglich sind, können zu spannenden Erkenntnissen führen. Der Vergleich des nordamerikanischen Indianer-Mythos vom Raben Yehl mit den farbig-leuchtenden Bildern der Milchstrassengalaxie war für den Kurator Jorrit Britschgi ein Aha-Erlebnis: «Die wunderbaren Computerbilder der Astrophysik vom Urknall oder von roten Riesen zeigen Sachen, die Sie mit dem blossen Auge nicht wahrnehmen können und die es zum Teil gar nicht mehr gibt. Diese Bilder sind also fast so fantastisch wie die Geschichte vom Raben Yehl, der den Menschen das Licht gebracht hat.»
Wie in «Kosmos – Rätsel der Menschheit» durch Kulturvergleiche immer wieder die Perspektive und das Selbstverständnis der westlichen Betrachter relativiert wird, das macht die Ausstellung so sehenswert. Und regt zum Nachdenken an.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 17.12.2014, 17:10.