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Gesunder Aktivismus Wer die Welt retten will, muss auch mal chillen

Sich für das Gute einzusetzen, ist ganz schön anstrengend. Was tun, damit das nicht böse endet? Tipps vom Jugendpastor.

Sich für das Klima einsetzen, Foodwaste verhindern, gegen den Krieg demonstrieren: Wer sich für seine Anliegen engagiert, könne leicht ausbrennen, sagt Riki Neufeld vom Bildungshaus Bienenberg im Kanton Baselland. Der Jugendpastor hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.

Gezeigt habe sich das etwa bei der grossen Solidarität gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine. Er habe eine Art Über-Aktivismus beobachtet, sagt Riki Neufeld.

Die Leute hätten sich mit allem, was sie zur Verfügung hatten, in die Not dieser Welt hineingestürzt. «Aber sie merkten schnell, dass man an eine Grenze kommt. Dann schwappte es über in eine Art Ohnmacht, wo sich die Leute dem Thema gar nicht mehr stellen mochten.»

Gesunder Aktivismus

Was hilft? Die kleinen Schritte, sagt Riki Neufeld. Man sollte die eigene Komfortzone immer wieder verlassen, sich herausfordern, nicht aber stetig überfordern, so der Jugendpastor.

«Wenn wir nur auf unsere eigenen Begrenzungen schauen, kommen wir nicht weit in diesem Leben. Unsere Grenzen sollten stets in einem Spannungsverhältnis mit einem gesunden Aktivismus bleiben.»

Seine persönliche Komfortzone ist der Fleischkonsum. Da der Mennonit in Paraguay aufgewachsen ist, wo Fleisch «ein Hauptnahrungsmittel» ist, sei es für ihn schwierig, weniger davon zu essen. Aber er versucht es – wegen der Klimagerechtigkeit.

Gibt's den Generationen-Gap?

Trifft die Ohnmacht angesichts der vielen dringlichen Anliegen die Jungen stärker als die ältere Generation? Das könne er so nicht bestätigen, sagt Riki Neufeld.

Bei den Jugendlichen in seinem kirchlichen Umfeld sehe er eher einen gut ausgeprägten Pragmatismus. «Die heutige Generation ist vielleicht nicht so unbesorgt wie die vorherigen. Sie sind nicht masslos unzufrieden, aber haben auch nicht so viel Enthusiasmus, wenn es um die Zukunft geht.»

Zehn Minuten Stille pro Tag

Ohnmacht und Überforderung sieht Riki Neufeld eher bei der älteren Generation. Wer sich schon länger für Gerechtigkeit einsetze, sei heute oft entmutigt. Wie also aus der Ohnmacht herauskommen? Ein Patentrezept habe er nicht, so Neufeld.

Aus einer pastoralen Sicht lohne es sich aber, sich regelmässig in die Stille zu begeben. Jeden Tag zehn Minuten. «Manchmal brauchen wir diese Übung, wo wir einfach nur sind und uns nicht mit Gedanken und Gefühlen beschäftigen.» Das pure Sein ohne jegliche Ablenkung.

Da schlägt Riki Neufeld den Bogen zu den Jugendlichen. «Viele haben das intuitiv begriffen. Sie haben ein grosses Bedürfnis, einfach mal zu chillen.» Rumhängen, Nichtstun: Die Jungen machen es vor. Da könnte noch manch eine Erwachsene von ihnen etwas lernen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 03.05.2022, 07:06 ; 

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