Die Leute in der Schweiz wollen helfen – und zwar nicht nur mit Geld. In vielen Regionen bringen sie Kleider, Schlafsäcke oder Lebensmittel bei verschiedenen Sammelstellen vorbei. Die Solidarität ist so gross, dass sich die Hilfsgüter meterweise türmen, zusätzliche Lagerhallen gemietet werden müssen oder es gar zu einem Verkehrschaos kommt.
Die Leute bringen teilweise zu viel. Aber es kommt von ganzem Herzen.
Bei der ukrainischen Botschaft in Bern etwa werden seit Ende Februar Hilfsgüter gesammelt. Eine Frau bringt Katzenfutter, ein Mann Erste-Hilfe-Sets. «So kann ich wenigstens etwas helfen.»
Bitte keine Sommerkleider
Am meisten benötigt würden warme Kleidung und Schuhe, Verbände, lang haltbare Nahrungsmittel, Babynahrung, Hygieneprodukte oder Powerbanks, sagt der ursprünglich aus der Ukraine stammende Softwareentwickler Wladimir Malaschonok. Er hilft freiwillig mit, die Güter anzunehmen und zu sortieren. Eigentlich würden die Leute oft auch zu viel bringen: «Aber das kommt von ganzem Herzen.» Und man könne nicht nein sagen, wenn ein 3-jähriges Mädchen Spielzeug bringe, um die Kinder in der Ukraine zu trösten.
Was man aber nicht brauchen könne, sei Sommerkleidung. «Wir bekommen viele Kleider für den Sommer.» In der Ukraine sei es aber dafür zu kalt.
Kaum Platz in der ukrainischen Botschaft in Bern
Der Platz rund um die Botschaft reicht aber nicht mehr aus, weshalb die Güter derzeit in einer Lagerhalle am Stadtrand von Bern gesammelt und für den Transport bereit gemacht werden. Am Mittwoch beispielsweise seien drei grössere Transporter nach Kiew losgefahren.
Leute kaufen zusätzliches Material in Apotheken
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Eine besondere Hilfsaktion gibt es im aargauischen Seon. Ein Ehepaar sammelt in Absprache mit der ukrainischen Botschaft in Bern spezielles medizinisches Material – Geräte, Medikamente oder Operationsutensilien.
Trotz der sehr spezifischen Sammlung gebe es einen sehr grossen Rücklauf, so die Initianten. Einige Güter werden von den Leuten extra in Apotheken gekauft.
Medizinische Geräte finden den Weg in die Ukraine über Personen, die im Bereich Arbeitsmedizin grösserer Betriebe tätig sind. Weil grosse Hilfsaktionen noch eine gewisse Anlaufzeit bräuchten, sammle man auch spezielle chirurgische Instrumente. Das Material wird im Schulhaus Seon gesammelt und soll per Lastwagen in die Ukraine gebracht werden.
Besonders hoch ist der Ansturm derzeit auch in der Baselbieter Gemeinde Frenkendorf. In einem privaten Sportpark werden seit einigen Tagen Decken, Schlafsäcke, Kindernahrung, Windeln, Medikamente und Hygieneartikel gesammelt. Die Hilfsgüter sollen am Freitagabend per LKW an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht werden.
Im Gebiet um die Sammelstelle kam es in den letzten Tagen zeitweise gar zu einem Verkehrschaos. Die Polizei musste einschreiten, um den Verkehr zu regeln. Organisiert hat die Aktion der 22-jährige Student Samuel Eichenberger. Unterstützt wird er von 200 Helferinnen und Helfern. «Es ist unglaublich. Das hätte ich nie erwartet.» Eichenberger erwartet, dass bis zu sieben Lastwagen gefüllt werden können.
Grosser Ansturm in Frenkendorf
Eichenberger arbeitet auch mit der ukrainischen Botschaft zusammen, damit sichergestellt wird, dass die Hilfsgüter auch in die Ukraine gelangen.
Gestoppt werden musste derweil die Annahme von Kleiderspenden, weil schlicht zu viel Ware zusammen kam. Überwältigt von der Hilfsbereitschaft ist auch der Frenkendörfer Gemeindepräsident Roger Gradl: «Es ist Wahnsinn, was hier abgeht.»
Zu wenig Verpackungsmaterial
In St. Gallen ging kurzfristig das Verpackungsmaterial für die Hilfsgüter aus, weil so viele Spenden gebracht wurden. «Und wir mussten Paletten dazukaufen», sagt Jörg Köhler, Leiter des Amtes für Militär und Zivilschutz. «Die Menge hat uns sehr überrascht.» 65 Tonnen Material seien schon unterwegs. Am Ende werden es aus St. Gallen rund 100 Tonnen sein. Dann sei aber Schluss, sagt Jörg Köhler. Das Ziel sei die schnelle Hilfe gewesen. «Jetzt können die etablierten Kanäle übernehmen.»
In St. Gallen hilft das Militär mit
Die Solidarität sei zwar schön und beeindruckend, sagt Katharina Schindler vom Schweizerischen Roten Kreuz. Es sei in anderen Fällen aber schon vorgekommen, dass sich vor Ort die Kisten in Lagerhäusern gestapelt hätten und liegen geblieben seien. Zudem sei der Transport teuer und kompliziert. «Geldspenden sind im Moment wirksamer und effizienter», sagt Elisabeth Karagiannis von Caritas.
Darum können Sachspenden problematisch sein
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Viele grosse Schweizer Hilfswerke nehmen keine Sachspenden entgegen, wie beispielsweise die Caritas Schweiz. «Die Abwicklung von Sachspenden ist sehr zeitintensiv, der Transport teuer und die Logistik aufwändig», sagt Elisabeth Karagiannis.
Es bestehe die Gefahr, dass gewisse Güter im Überfluss gesammelt und angeliefert werden, während andere wiederum fehlten. «Man muss die Waren nicht nur lagern und transportieren, sondern auch reinigen und sortieren.» Das würde die Hilfe verzögern, so Karagiannis. Deshalb würden Hilfsgüter, wenn immer möglich, vor Ort eingekauft. Damit könne man den Bedarf anpassen und zudem auch die lokale Wirtschaft schützen – derzeit beispielsweise in den Nachbarländern.
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