Kaum ist die letzte Wand gestrichen, ist sie schon wieder falsch. Zu grell, zu beige, zu wenig «wir». Wohnen ist längst keine Nebensache mehr, sondern ein Gemütszustand, in Einrichtung übersetzt. Dieses Glossar hilft, den Stil zum seelischen Zustand zu finden. Für alle, die sich fragen, ob sie nach Ruhe, Drama oder einem neuen Teppich suchen.
Dopamine Decor
Das Wohnzimmer als Glücksspender: rosa Wände, gelbe Lampen, Sofas mit Rundungen. Der Stil verspricht gute Laune durch Gestaltung – Farbe gegen Krise. Auf Instagram leuchtet alles wie frisch lackierte Heiterkeit. Die Wohnung wird zur Therapie, das Glück zur Einrichtungsidee. Wer nach drei Wochen davon Kopfschmerzen hat, siehe → Japandi.
Japandi
Helles Holz, klare Linien, weiche Schatten.→ Japandi ist die Liaison aus Zen und Hygge – asketisch, aber bitte gemütlich. Eine Ästhetik des Weglassens, die fast spirituell wirkt. Ordnung als Trostprinzip. Der Stil will Ruhe, wo das Leben laut ist. Wer dabei einschläft, siehe → Dopamine Decor . Wer ein bisschen Drama im Leben vermisst, siehe → Maximalismus.
Maximalismus
Mehr ist mehr – und das ist Absicht. Samt, Muster, Goldrahmen: pompös, verspielt, hedonistisch. → Maximalismus passt zu allen, die sich dem Zuviel lieber hingeben, als es zu bekämpfen. Dinge, die man liebt, werden nicht versteckt, sondern inszeniert. Jeder Raum ein Ich-Porträt, das schreit: «Ich bin imfall interessant!» Und wer darin etwas übertreibt, landet schnell bei → Cluttercore.
Cluttercore
Der Moment, in dem der Raum zur Biografie wird: Das ist → Cluttercore. Hier wird das Chaos nicht versteckt, sondern kuratiert, ausgestellt, sichtbar gemacht. Das Sammeln wird zur Tapete. Erinnert an ein Teeniezimmer um 1999, Bravo-Poster inklusive – zu viel, zu nah, zu ehrlich.
Minimalismus / Scandi Style
Beige, weiss, hellgrau – und das Motto «weniger ist mehr». Heute klingt das wie eine Diät für Möbel und Zeugs. Die glatte Oberfläche wird zum Bekenntnis: Ich habe mich im Griff. Oder einfach alles vestaut. Kurz: → Minimalismus ist die Ästhetik der Selbstkontrolle: Jedes Möbel ein stilles Versprechen, dass hier nichts entgleitet. Wer davon genug hat, siehe → Cottagecore – oder wenigstens eine ungebügelte Decke.
Cottagecore
Das Internet träumt vom Land. → Cottagecore verkauft den Duft von Apfelkuchen und Selbstversorgung in Leinenoptik. Alles sanft, alles handgemacht. Die Utopie eines Lebens ohne Pushnachrichten. Es ist die ästhetische Erholung vom Fortschritt – und gleichzeitig seine schönste Simulation. Wer Sehnsucht nach Ruhe hat, aber WLAN braucht, siehe → Modern Heritage.
Modern Heritage
Alt und neu verbinden sich – wie ein Erbstück, das plötzlich wieder modern wirkt. Dunkles Holz trifft auf Designklassiker, Vergangenheit auf Gegenwart. → Modern Heritage erzählt: Wir wissen, wo wir herkommen – aber bitte in neuem Lack. Der Trend klingt nach Tradition, riecht nach Instagram. Ein bisschen Grossvater, ein bisschen Algorithmus.
Neutralcore
Weisse Wände, graues Sofa, Schreibtisch mit Laptop: → Neutralcore ist der schweizerischste aller Stile – zwar für diesen Artikel erfunden, aber es gibt ihn. Er ist funktional, sauber, genügsam. Hier darf gewohnt und gearbeitet werden, beides gleichzeitig, bitte ordentlich. Kein Prunk, kein Pathos, dafür Steckdosen an den richtigen Stellen. Ein Stil für alle, die ihre Wohnung so führen, wie andere ihre Steuererklärung.