Ich will gar nicht wissen, wie viele Geschenke Ihnen noch fehlen für unter den «oh Tannenbaum», der ja auch erst einmal erstanden oder in Nachbars Garten gefällt sein will. Das gute alte Schweizer Wie-Wort «bäumig» ist jedenfalls das Allerletzte, was ich mit Weihnachten verbinde. Eher Stress. Dichtestress. Platzangst!
Wir fürchten es doch heimlich alle: das grosse Hallo in der – auch ohne Besuch – zu klein gewordenen Stube. Nur Vorzüge hätte dieser fromme Wunsch, den wir zur Feier der Untage in festlicher Wir-Form vortragen wollen: Warum fallen wir nicht nur noch alle vier Jahre ins Konsumier-Koma, zur allgemeinen Entspannung so ziemlich aller Bewohner der westlichen Warenwelt?
Was die Oberen bei der Neo-Weltreligion Fussball verdammt früh verstanden haben: Man soll die Feste so feiern, dass sie auffallen.
Es wäre so viel gewonnen. Keine monatelangen Diskussionen – ach was: Dispute – mehr, ob der Kleine sein Handy nicht doch schon jetzt kriegt, damit Ruhe im Karton ist, den er bestimmt nicht eigenhändig ins Altpapier bündelt. Schluss mit den depperten Debatten über schlanke Menus, die niemanden dick machen. Endlich aus dieser Welt geschafft das Glückskeks-Versprechen: «Dieses Jahr schenken wir uns gar nichts.» (Man steht nie mit leereren Händen da, weil sich selbstverständlich niemand daran hält.)
An Weihnachten ist immer alles zu viel – vor allem die Frequenz. Kein Wunder, stimmt kein Schwein mehr ein Hohelied darauf an.
Man kann zwar auf den Weltfussballverband FIFA pfeifen. Aber was die Oberen bei der Neo-Weltreligion Fussball verdammt früh verstanden haben: Man soll die Feste so feiern, dass sie auffallen. Genau deshalb findet eine Weltmeisterschaft nicht jedes Jahr statt.
Weihnachten hingegen sind Rausverkauf, in jeder Hinsicht dieses «wüsten» Wortes. Eine Fussball-WM hingegen? Das letzte Hochamt, das wir noch haben. Sie steht für Verknappung statt Verwurstung – ausgerechnet ihr Vierjahres-Zyklus macht sie einmalig. Videobeweis: Ich könnte jeden Ersatzspieler sämtlicher Finalspiele der letzten zirka 100 Jahre herunterbeten. Von meinen letzten 50 Weihnachten ist mir wenig mehr als der Satz geblieben, den wir nach verlorener Schlacht immer sagen, mantra-mässig: «Nie wieder so.»
Falls Sie noch keine Geschenkidee haben? Schenken Sie sich die nächsten paar Weihnachten – und allen anderen auch.
Es finden sich überhaupt verblüffende Ähnlichkeiten, die für eine Harmonisierung von Fussball-WM und W wie Weihnachten sprechen. Zu Christmas feiern selbst Ungläubige – falls Sie das vergessen haben oder gar nie wussten – die Geburt eines Kindchens, das sie für den Messias halten.
Zuletzt in Katar standen ein Fussball-As namens Messi im Mittelpunkt und ein grosses Kind, das sinnigerweise Infantino heisst. Und sind nicht die immergleichen Teilnehmerländer so etwas wie die Verwandten, die das Jahr über irgendwo im Pfefferkuchenland leben, jetzt aber auf einer Ersatzbank vor meinem Weihnachtsbaum sitzen?
Sollten Sie selbst an Weihnachten gar nicht zu beissen haben – danke trotzdem, dass Sie bis in die Nachspielzeit dieser kleinen Ausfälligkeit dabei geblieben sind. Um es jetzt aber kurz zu machen: Falls Sie noch keine Geschenkidee haben – schenken Sie sich die nächsten paar Weihnachten und allen anderen auch.
Von mir aus auch für immer.