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Europa – Ein Ort, eine Idee, eine Gemeinschaft?
Aus Sternstunde Philosophie vom 19.05.2019.
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Grossbritannien und die EU «Jeder Europäer sollte sich jetzt gerade Sorgen machen»

Die EU-Wahlen stehen vor der Tür und Brexit ist in aller Munde. Die deutsch-britische Journalistin Kate Connolly über europäische Identität, ein gespaltenes Grossbritannien und warum wir uns Sorgen um die Zukunft Europas machen sollten.

Kate Connolly

Kate Connolly

Journalistin

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Kate Connolly arbeitet als Berlinkorrespondentin für den Guardian und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. In Folge des Brexits hat die geborene Britin die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und darüber ein Buch verfasst: «Exit Brexit».

SRF: Sie sind geborene Britin, leben aber seit vielen Jahren in Deutschland. Sehen Sie sich als Europäerin?

Kate Connolly: Da ich in einer Generation gross geworden bin, in der Europa sich sozusagen richtig gefunden hat, war die Verbindung zu Europa ganz stark. Für mich war es ganz selbstverständlich, dass ich teil von Europa bin. Und das nicht bloss in einem oberflächlichen Sinne.

Wenn wir mit Europa zusammenwachsen, dann können wir ein starkes Land sein.

Grossbritannien ist in der EU immer schon eher einen Sonderweg gegangen, während Deutschland häufig eine Vorreiterrolle zugesprochen wird. Merkt man diesen Unterschied auch in der Mentalität der Menschen?

Ich lebe jetzt seit einigen Jahren in Deutschland und bin es mir jetzt gewohnt, in einem Land zu sein, wo Europa wirklich auch Teil der Identität der Menschen ist und in dem Europa auch viel Kraft gegeben hat. In dem Sinne: Wenn wir mit Europa zusammenwachsen, dann können wir ein starkes Land sein. Insofern identifiziert man sich in Deutschland viel stärker mit Europa als in Grossbritannien.

Hat die EU bisher zu wenig Zeit darin investiert, eine gemeinsame europäische Identität für seine Bürger zu finden?

Ich denke, die EU könnte viel mehr Fantasie darin einbringen, wie sie sich präsentiert. Der deutsch-britische Kinderbuchillustrator Axel Scheffler zum Beispiel hat eine «EU-le» – eine kuschelige, europa-blaue Eule mit gelben Sternen – als eine Art Markenzeichen Europas kreiert. Die könnte doch als EU-Maskottchen adoptiert wenden.

Denn was wir jetzt haben, sind nur gelbe Sterne auf einem blauen Hintergrund. Und meine Kinder erkennen das zwar und haben auch einen Frisbee, auf dem das drauf ist, aber es ist vielleicht einfach zu unpersönlich, zu «corporate».

Bald sind Europawahlen. Grossbritannien nimmt ebenfalls teil. Spielt es aber angesichts von Brexit überhaupt noch eine Rolle, was das Ergebnis sein wird?

Ich finde, die Wahl spielt definitiv eine Rolle. In Grossbritannien wird aber nicht die EU bei dieser Wahl im Zentrum stehen, sondern Brexit. So gibt es die Brexitpartei, welche von Nigel Farage geführt wird und die laut Umfragen 34 Prozent der Stimmen hat. Das ist mehr als Labour und die Konservativen zusammen haben.

In Grossbritannien ist die Wahl eher nochmals so eine Art Referendum. Also vielmehr ein Ringen innerhalb des Landes über unsere Identität. Es heisst nicht: «Wie wollen wir Europa gestalten?», sondern vielmehr «Wie müssen wir aus Europa rauskommen?».

Buchhinweis

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Kate Connolly: «Exit Brexit. Wie ich Deutsche wurde», Carl Hanser Verlag 2019.

Die Schweiz ist nicht Teil der EU, aber Teil des europäischen Kontinentes. Sollten wir uns auch als Schweizer Sorgen um Brexit und die Zukunft der EU machen?

Jeder Europäer sollte sich jetzt gerade Sorgen darüber machen, in welche Richtung es mit Europa geht. Sprich: Dass Populisten an die Macht gelangen. In der Schweiz haben Sie ja auch solche grossen politischen Veränderungen in den letzten Jahren gehabt und ich denke daher, die Schweizer kennen das.

Auf der anderen Seite haben die Schweizer vielleicht mehr Mitleid dafür, wenn man einen Sonderweg geht. Denn die Schweiz macht das seit Langem.

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