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Kulturförderung «Hinter der neuen Verordnung steckt keine Sparübung»

Weniger Geld für Theaterverbände, Einsparungen bei der Musik und eine neue Förderpolitik für Museen: Jetzt zeigen sich die Folgen der Kulturbotschaft 2016 - 2020 – und sie sorgen für Unmut. BAK-Chefin Isabelle Chassot wehrt sich.

SRF: Muss das Bundesamt für Kultur sparen? Immerhin erhalten Kultur-Organisationen insgesamt rund 360'000 Franken weniger.

Zur Person

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Isabelle Chassot ist seit dem 1. November 2013 Direktorin des Bundesamtes für Kultur. Die Anwältin und langjährige Freiburger Staatsrätin trat die Nachfolge von Jean-Frédéric Jauslin an. Chassot ist Mitglied der CVP.

Isabelle Chassot: Nein. Hinter der neuen Verordnung steckt keine Sparübung. Wir haben aber die Fördervoraussetzungen angepasst.

Neu müssen die Berufsverbände der Kulturschaffenden gesamtschweizerisch tätig sein und Mitglieder aus mindesten drei Sprachregionen haben.

Sie müssen zudem ihren Mitgliedern Beratungen anbieten und nicht vorwiegend auf Ausbildung, Promotion oder Vermittlung fokussiert sein.

Dass das Gesamtbudget etwas weniger hoch ist, hat damit zu tun, dass das Tanz-Netzwerk «Reso», das als Kulturorganisation bis jetzt unterstützt wurde, in die Zuständigkeit von Pro Helvetia übergegangen ist – und damit auch das Geld.

Nicht nachvollziehbar ist für mich die Behauptung, dass sie vom Entscheid überrascht wurden.

Die Freien Theaterschaffenden haben gegen die Kürzung respektive Streichung der Unterstützungsbeiträge laut protestiert – mit einem offenen Brief und einigen hundert Unterschriften. Haben Sie damit gerechnet?

Reizthema Kulturförderung

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Wir haben erwartet, dass es Reaktionen gibt. Ich kann den Ärger der Organisationen auch nachvollziehen. Sie verlieren schliesslich eine finanzielle Grundlage, die wichtig ist für ihre Arbeit.

Nicht nachvollziehbar ist für mich allerdings die Behauptung, dass sie vom Entscheid überrascht wurden.

Das BAK hat die Berufsverbände der Kulturschaffenden schon in der Vorbereitungsphase der Kulturbotschaft, und dann im Frühling und Herbst 2016 an gemeinsamen Treffen informiert. Und dabei auch klar gemacht, dass eine Organisation für eine Unterstützung durch das BAK in Zukunft ausnahmslos gesamtschweizerisch tätig sein muss.

Wir haben uns nun die Mühe gemacht, allen, die den offenen Brief unterschrieben haben, zu antworten. Ich hoffe sehr, dass der Berufsverband der Freien Theaterschaffenden sich mit anderen Theaterverbänden zusammentut, damit wir eine erneute Förderung ab 2018 prüfen können.

Warum unterstützt das BAK eigentlich Berufsorganisationen von Künstlerinnen und Künstler? Das ist doch keine Kulturförderung im engeren Sinn.

Nehmen Sie Fragen wie die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden oder ihre berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung: Das sind wichtige Fragen, auch kulturpolitisch.

Sie verstehen sicher, dass ich mich zum laufenden Verfahren nicht äussern kann.

Allerdings sind es Fragen, die ein Kanton oder eine Gemeinde nicht für sich allein lösen können. Wir brauchen dafür einen grösseren Rahmen. Darum braucht es hier den Bund.

Das BAK hat auch das Förderkonzept für Museen erneuert. Neu muss ein Museum über eine wichtige Sammlung, eine nationale Ausstrahlung und ein innovatives Vermittlungsangebot verfügen. Und Sie haben finanzpolitische Kriterien eingebaut: Der Bund zahlt nur so viel wie die Gemeinden und der Kanton, mindestens 250'000 Franken und maximal einen Drittel des Jahresbudgets. Für einige Häuser hat das katastrophale Folgen.

Bis Ende März sind 35 Gesuche bei uns eingetroffen, und Sie verstehen sicher, dass ich mich zum laufenden Verfahren nicht äussern kann. Nur so viel: Wir werden zuerst die formellen Kriterien mit der Finanzierung anschauen.

Nur die Gesuche, die diese Hürde genommen haben, werden wir dann inhaltlich studieren und beurteilen. Dabei berät uns eine sechsköpfige Expertengruppe.

Es kann nicht sein, dass der Bund mehr bezahlt als die Gemeinde oder der Kanton, wo das Museum seinen Sitz hat.

Das Textilmuseum in St. Gallen hat ein Gesuch eingereicht. Von der Stadt und dem Kanton St. Gallen erhält es je 280'000 Franken. Das heisst: Das Textilmuseum kommt auf den Stapel mit den Gesuchen, die inhaltlich geprüft werden.

Ich äussere mich nicht zu den einzelnen Gesuchen, aber wenn die Frage das Prüfungsverfahren betrifft, dann ja – wenn das Textilmuseum in St. Gallen aufzeigen kann, dass es diese Unterstützung erhält, hat es die erste Hürde geschafft.

Uns geht es bei dieser finanziellen Hürde um die Subsidiarität. Es kann nicht sein, dass der Bund mehr bezahlt als die Gemeinde oder der Kanton, wo das Museum seinen Sitz hat.

Bis Ende März haben 35 Museen ihre Gesuche eingereicht. Entspricht das Ihren Erwartungen?

Natürlich habe ich mir überlegt, welche Museen grundsätzlich in Frage kommen könnten. Ich hatte tatsächlich gut 50 Gesuche erwartet.

Im Sommer erfahren die Museen, wer neu Geld erhält und wer mit weniger auskommen muss oder ganz leer ausgeht. Dann werden Sie wieder viel zu tun haben, oder?

Ich rechne mit grossen Enttäuschungen und harschen schriftlichen Reaktionen – auch von Gemeinden und Kantonen. Es wird dann wieder von unserer Seite kommuniziert und viele Gespräche geben, was aber dazu gehört.

Die Fragen stellte Karin Salm.

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