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Jung und arbeitslos in Europa Bulgarien – viele Jugendliche flüchten vor der Arbeitslosigkeit

Die Perspektiven für Jugendliche in Bulgarien sind nicht gut. Der Optimismus im ärmsten EU-Land hält sich in Grenzen - viele wollen ins Ausland, um zu studieren oder zu arbeiten. Nur wenige kommen wieder zurück. Nicht so die 20-jährige Teodora Ràdeva. Sie möchte mithelfen, das Land voranzubringen.

Serie «Plan B», Teil 2

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In der Radio-Serie «Plan B» porträtierte SRF 2 Kultur Ende 2012 während einer Woche junge Erwachsene in Europa und beleuchtete ihre Schwierigkeiten beim Einstieg ins Berufsleben. Ein Jahr später kommen die selben Jugendlichen nochmals zu Wort und berichten, wie sich ihre Situation verändert hat.

Beim Gespräch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia letzten Herbst träumte die 20-jährige Teodora Ràdeva von einer eigenen Wohnung. Der Traum, meinte sie damals, werde aber aus finanziellen Gründen kaum in Erfüllung gehen, da neben dem Studium keine Zeit zum Arbeiten bleibe.

Nun hat sich der Traum doch erfüllt: Soeben hat Teodora, die inzwischen passabel Englisch spricht, mit ihrer Schwester eine Wohnung bezogen: «Die Hälfte der Miete bezahlen uns die Eltern. Für die andere Hälfte müssen wir Frauen selber aufkommen. Eine Teilzeitarbeit habe ich zwar nicht gefunden – das ist in Bulgarien fast ein Ding der Unmöglichkeit – aber ich habe einen Coiffeur-Kurs absolviert und schneide jetzt in der Freizeit Freunden und Bekannten die Haare.»

Ausland als einzige Perspektive

Dabei kommt zwar nicht viel zusammen, aber immerhin. Die Hoffnung auf einen Nebenjob hat sie noch nicht aufgegeben – am liebsten würde sie als Aushilfe in einem richtigen Coiffeur-Salon arbeiten. Doch die Hauptaufmerksamkeit der 20-Jährigen gilt ohnehin dem Studium Computer-Technologie an der Technischen Universität in Sofia.

Teodora Radova
Legende: Möchte trotz schwierigen Perspektiven in Bulgarien bleiben: Studentin Teodora Ràdeva. SRF/Marc Lehmann

Das Fach biete gute Zukunftsperspektiven und sei interessant, meint Teodora. Nun hat sie das erste Jahr absolviert – als eine von nur fünf Frauen ihres Jahrgangs. Sie will das Studium bis zum Abschluss durchziehen – hat also noch drei Jahre vor sich. Denn ohne ein Papier in den Händen und ohne Berufsperspektiven könne sie ihrer Familie keine Hilfe sein.

Viele junge Bulgarinnen und Bulgaren müssen ihr Land verlassen, um eine Perspektive zu haben. Gut ein Drittel der jungen Menschen sind ohne Beschäftigung, die Aussichten daheim sind nicht gut. Bulgarien hat in den letzten 25 Jahren einen regelrechten Bevölkerungsschwund hinnehmen müssen. Die Einwohnerzahl sank von 9 auf noch etwa 7,5 Millionen. Vor allem die Generation der 25- bis 50-Jährigen fehlt. Wären nicht auch viele Junge ausgewandert, sähe die Abeitslosenstatistik noch düsterer aus.

Arbeitslosigkeit in Bulgarien:

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Offiziell sind in Bulgarien 28,4% (2010 noch 21%) der Jugendlichen arbeitslos. Laut Trendberichten dürfte die Rate in den letzten Monaten etwas zurückgegangen sein, auf ca. 25%. Nach Experten liegt die Jugendarbeitslosigkeit aber eher bei ca. 40%, da Personen in Ausbildung, die aber von der Sozialhilfe leben, nicht als arbeitslos erfasst sind.

Unsere Träume leben, nicht andere

Für Teodora kam es aber nicht in Frage, ins Ausland zu gehen. «Wenn ich nicht zuhause bin, fehlt mir etwas. Ausserdem will ich am Aufbau des Landes mitarbeiten. Sonst leben hier nur noch alte Leute. Aber natürlich werde ich schauen, was hier in Zukunft passiert», sagt die Studentin.

Und in Bulgarien passiert derzeit viel: das Land ist politisch im Umbruch, seit Monaten wird täglich gegen die Regierung demonstriert, die Menschen haben genug von Misswirtschaft und Korruption. Teodora beteiligt sich nicht an den Kundgebungen. Im Sommer habe sie ohnehin keine Zeit gehabt, da ihr Freund, der sonst in Deutschland studiert, zuhause war.

Für sich und alle ihre Altersgenossen in Europa wünscht sich Teodora für die Zukunft, dass ihre Träume in Erfüllung gehen und sie nicht nach den Vorstellungen anderer leben müssen: «Wir sollten unsere eigene Träume leben können – und nicht die unserer Eltern.»

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