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Kardinal beantwortet Fragen Kurt Koch: «Intrigen gibt es leider in der ganzen Kirche»

Warum kann eine Frau nicht Priesterin werden? Wieso schafft der Papst das Zölibat nicht ab? Wie nimmt er die Intrigen im Vatikan wahr?

Kurt Koch, ehemaliger Bischof von Basel, ist Kardinal und Präsident des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Er nimmt Stellung zu Fragen, die unsere Userinnen und Radiohörer ihm gestellt haben.

Kurt Koch

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Kurt Kardinal Koch (*1950) ist Theologe und Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche. Der Schweizer präsidiert den päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Von 1995 bis 2010 war er Bischof von Basel.

Annemarie Bucher-Dommann: Warum kann Papst Franziskus nicht einfach den Zölibat abschaffen und Menschen, die ein zweites Mal heiraten, zur Kommunion zulassen? Warum funktioniert so ein Machtwort nicht?

Kurt Koch: Weil der Papst den Konsens der Bischöfe will. Er möchte eben nicht ein Machtwort sprechen. Man nimmt Papst Franziskus nicht ganz ernst, wenn man von ihm etwas erwartet, was er kategorisch ablehnt.

Das Problem des Priestermangels ist komplexer als nur die Frage des Zölibats.

Viele, die sich jetzt ein Machtwort wünschen, hätten sich tödlich aufgeregt, wenn die Vorgänger-Päpste ein Machtwort gesprochen hätten. Aber ich kann meine Theologie des Papsttums nicht immer dem jeweiligen Papst anpassen.

Stephan Siebelt: Natürlich sind Priester aus Indien oder Afrika eine Bereicherung. Aber wie kann die Eucharistie weiterhin Mittelpunkt des Gemeindelebens sein, wenn es keine einheimischen Priester mehr gibt?

Die Kirche muss alles daran setzen, dass die Eucharistiefeier am Sonntag gewährleistet ist. Die Kirche trägt auch Verantwortung dafür, eigene Berufungen hervorzubringen. Alle in der Kirche müssen sich fragen, warum so wenige Priester werden wollen. Das liegt nicht nur an der Kirchenleitung.

SRF: Ist das ein Plädoyer für die Abschaffung des Pflichtzölibats?

Nein. Die Situation des Glaubens ist entscheidend. Das hat auch viel mit Demographie zu tun. Wenn früher in einer Familie mit sechs Kindern ein Sohn Priester wurde, war das keine Katastrophe. Das sieht in einer Familie mit statistisch 1,4 Kindern anders aus. Das Problem des Priestermangels ist sehr viel komplexer als nur die Frage des Zölibats.

SRF: An Ostern erleben wir, wie Maria Magdalena die erste Zeugin der Auferstehung ist. Warum kann eine Frau dann nicht auch Priesterin werden?

Papst Franziskus hat ein eigenes Fest zu Ehren von Maria Magdalena eingeführt. Er hält aber an der Unmöglichkeit der Frauenordination fest. Ökumenisch ist das eine schwierige Frage.

Natürlich nehme ich Frauen ernst.

Um in der Kirchengemeinschaft voranzukommen, ist die gegenseitige Anerkennung der Ämter entscheidend. Die katholische Kirche kann aber die Frauenordination der reformierten Kirche nicht anerkennen.

Renate Wüst: Warum hat die männliche Kirche Angst vor Änderungen? Werden Frauen überhaupt ernst genommen?

Natürlich nehme ich Frauen ernst, sonst hätte ich als Bischof von Basel nicht darauf geschaut, dass mindestens ein Drittel der Kirchenleitung Frauen sind. Wir haben viele Möglichkeiten, Frauen zu fördern. Auch im Vatikan wird immer mehr darauf geschaut.

Aber die Diagnose der Fragestellerin, dass nur Männer Angst haben vor Reformen, stimmt nicht. Ich habe viele Frauen erlebt, die Verantwortung tragen in Kirchgemeinden und auch Angst haben vor Veränderungen.

Annette Greber: Die Tür für Frauen als Priesterinnen bleibt geschlossen, obwohl es immer weniger Eucharistiefeiern gibt aufgrund des Priestermangels. Wie erkläre ich das meiner Tochter?

Da müsste ich ein persönliches Gespräch mit der Tochter führen. Sie kann aber sicher sein: Uns ist es ein sehr wichtiges Anliegen, dass die Eucharistie gefeiert werden kann.

Renate Wüst: Die Menschen in der Schweiz haben andere Bedürfnisse als in anderen Teilen der Welt. Inwiefern will Papst Franziskus die Ortskirchen stärken?

Der Papst hat das Anliegen, dass die Ortskirchen mehr Verantwortung tragen können. Doch das ist eine Herausforderung für die Einheit.

Wenn Landesgrenzen zu Glaubensgrenzen werden, gefährdet das die Einheit.

Die deutsche Bischofskonferenz hat entschieden, in Einzelfällen die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene zu ermöglichen. Die polnische Bischofskonferenz hingegen schliesst das aus.

Nun ist in einem Land eine schwere Sünde, was woanders möglich ist. Wenn Landesgrenzen zu Glaubensgrenzen werden, gefährdet das die Einheit.

Betty Keller: Ein Familienvater wird von seiner Frau verlassen. Er findet eine neue Frau, die sich auch um seine Kinder kümmert. Denken Sie, Jesus würde ihn ausschliessen?

Die katholische Kirche sagt nicht: Alle wiederverheirateten Geschiedenen sind von der Kirche ausgeschlossen. Ausserdem gibt es die Möglichkeit des Ehegerichts. Wenn es schwerwiegende Gründe gibt, kann die Ehe für nichtig erklärt werden.

Therese Liechti: In einem Interview haben Sie 2004 gesagt, reformierte Kirchen seien nicht Kirchen im gleichen Sinn wie die katholische Kirche. Wie können Sie mit so einer Aussage Ökumene-Minister werden?

Fragen Sie mal die Reformierten, ob sie im katholischen Sinne Kirche sein wollen. Jeder Reformierte wird sagen: Nein, wir haben ein anderes Verständnis von Kirche. Wenn wir im gleichen Sinne Kirche wären, hätten wir ja keine Meinungsverschiedenheiten.

SRF: Was antworten Sie Kritikern, die Ihnen vorhalten: Das gemeinsame Abendmahl gibt es immer noch nicht, bei Ihrer Arbeit kommt nichts heraus – ausser Spesen nichts gewesen?

Es ist einseitig, zu sagen: Wenn wir jetzt nicht gemeinsam das Abendmahl feiern, dann hat sich überhaupt nichts getan. Wer nach dem Motto «alles oder nichts» handelt, muss in Kauf nehmen, dass nichts kommt. Dann wird er auch blind für das, was in der Zwischenzeit geschehen ist.

Wir können Spaltungen erzeugen, aber für die Einheit müssen wir beten.

Eine zweite Blindheit ist, nur auf die katholische Kirche zu schauen. Es gibt orthodoxe Kirchen, mit denen wir nicht einmal zusammen beten können, weil sie sagen, wir können mit Häretikern nicht beten.

Ökumene heisst Dialogbereitschaft. Die Einheit ist nicht etwas, was wir Menschen machen können. Die Einheit ist immer ein Geschenk Gottes. Wir können Spaltungen erzeugen, aber für die Einheit müssen wir beten.

Beat Lichti: Wie lange müssen wir noch auf ein gemeinsames Abendmahl von Reformierten und Katholiken warten?

Es geht nicht nur darum, dass wir gemeinsam Eucharistie feiern, sondern auch als Kirche eine Gemeinschaft werden und im Alltag zusammenleben. Wann das der Fall sein wird, weiss ich nicht.

Felix und Magdalena Marti: Müssen Sie Rücksicht auf die Ostkirchen nehmen, die gegen eine Abendmahlsgemeinschaft mit den Reformierten sind?

Es ist wichtig, dass wir auf der Suche nach Einheit nicht neue Spaltungen produzieren. Wir Katholiken hätten kein Problem, mit den Orthodoxen Eucharistie zu feiern. Aber die wollen das nicht. Sie halten viel stringenter an dem Prinzip fest: keine Eucharistiegemeinschaft ohne Kirchengemeinschaft.

Wenn man Reformen will, gibt es Widerstand.

Thomas Huber: Es gibt eine offizielle Ökumene und eine Ökumene der Basis. Was tun Sie, damit Ihnen die progressivere Basis nicht davoneilt?

Ich nehme die Basis nicht so einheitlich wahr wie der Fragesteller. Ich war 15 Jahre Bischof von Basel und habe dort sehr viele Unterschiede an der Basis gesehen. Das sind keine geschlossenen Grössen, die Basis unten und die Kirchenleitung oben.

Wir müssen mehr aufeinander hören. Nicht nur die Kirchenleitung auf die Basis, sondern auch die Basis muss hören, warum die Kirchenleitung gewisse Dinge anders sieht.

Stephan Siebelt: Papst Franziskus wurde für sein Schreiben über die Liebe in der Familie kritisiert. Darin plädiert er bei wiederverheirateten Geschiedenen für Einzelfalllösungen. Kardinäle haben öffentlich Zweifel geäussert. Haben Sie dafür Verständnis?

Es gibt die Befürchtung: Was heute ein Einzelfall ist, wird morgen zum Normalfall. Und es gibt es auch die Sorge: Durch eine Ausnahme wird eine Grundüberzeugung infrage gestellt. Dazwischen muss man einen gesunden Weg finden.

Bei Geschiedenen muss man jeden Fall gesondert betrachten.

Die Situationen der wiederverheiratet Geschiedenen sind so verschieden, dass man jeden Fall gesondert betrachten soll. Das hat schon Papst Johannes Paul II. formuliert – und Papst Franziskus geht diesen Weg weiter.

SRF: Der Papst hat viele Widersacher. Wie nehmen Sie die Intrigen im Vatikan wahr?

Ich lache ein bisschen, weil man Intrigen und Ränkespiele als ein Privileg des Vatikans betrachtet. 15 Jahre als Bischof in Basel haben mir gezeigt, dass das durchaus auch in Pfarreien, in Dekanaten, auf allen Ebenen der Fall sein kann. Das gibt es nicht alleine im Vatikan, das gibt es leider in der ganzen Kirche.

SRF: Als Bischof von Basel hatten Sie viele Gegner. Heisst das, Sie haben kein Mitleid mit dem Papst?

Dass es Fragen gibt, ist normal. Schwierig war für mich, dass Kardinäle die Fragen an den Papst veröffentlicht haben. Das würde ich als Kardinal so nicht tun.

Natürlich ist der Widerstand für den Papst schwierig. Aber damit muss man leben. Wenn man Reformen will, gibt es Widerstand. Das ist nicht nur im Vatikan so, sondern auch im Bistum Basel.

Das Gespräch führte Raphael Rauch.

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