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Kardinal Lehmann gestorben Er traf einen Ton, der die Menschen erreichte

Christen in Europa trauern um Kardinal Karl Lehmann. Er ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Auch in der Schweiz hatte er Fans und Widersacher.

Vor fünf Jahren war Karl Lehmann nach feiern zumute. Denn genau heute vor fünf Jahren wurde Jorge Bergoglio zum Papst gewählt. Der erste Papst, der nicht aus Europa stammt und nach zwei konservativen Päpsten ein vergleichsweise liberaler Theologe auf dem Stuhl Petri – das war ganz nach Lehmanns Geschmack. Schon vor der Papstwahl hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass er Jorge Bergoglio unterstütze.

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Nachruf auf Kardinal Karl Lehmann
aus Kultur-Aktualität vom 12.03.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 22 Sekunden.

Lehmann war seiner Zeit voraus

Denn lange Zeit hatte Rom Karl Lehmann ausgebremst. Zum Beispiel, als der Theologie-Professor und spätere Bischof von Mainz sich für ein Thema einsetzte, das die katholische Kirche noch heute beschäftigt: nämlich ob Geschiedene, die ein zweites Mal heiraten, die Heilige Kommunion empfangen dürfen. Lehmann sagte ja, Rom aber nein.

In gewisser Weise war Lehmann seiner Zeit voraus. Ähnlich wie heute Papst Franziskus musste sich Lehmann den Vorwurf gefallen lassen, die katholische Lehre zu verwässern oder gar zu verraten. Das progressive Image brachte Lehmann auch um das Präsidentenamt der Europäischen Bischofskonferenz.

Churer Bischof gewinnt gegen Lehmann

Im Jahr 2001 verlor Lehmann eine Kampfabstimmung gegen den Bischof von Chur, Amédée Grab. Doch die Niederlage hat Lehmann verkraftet, handelt es sich bei der Europäischen Bischofskonferenz mit Sitz in St. Gallen ohnehin um einen zahnlosen Tiger.

Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Ämter als Bischof von Mainz und als Chef der Deutschen Bischofskonferenz. Gerade hier machte er einen guten Job. Auch wenn er im Herzen Professor blieb, traf er einen Ton, der die Menschen erreichte.

Ein Bischof zum Anfassen – auch auf der Fastnacht

Von der Mainzer Fastnacht war er nicht wegzudenken und bekam auch den «Orden wider den tierischen Ernst» verliehen. Ein Bischof zum Anfassen, der geistige Höhenflüge ebenso kannte wie irdische Abgründe.

Den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils in die Gegenwart transportieren – für dieses Anliegen kämpfte Karl Lehmann bis zuletzt. Nicht nur die katholische Kirche trauert um ihn. Auch orthodoxe und reformierte Christen aus aller Welt zeigten sich betroffen vom Tod des beliebten Kardinals. Zur Zeit tagt in Tansania die Weltmissionskonferenz. Dort hiess es, man trauere um einen grossen Freund der Ökumene.

Solidarität mit Hans Küng

Auch mit Schweizer Theologen pflegte Karl Lehmann Beziehungen. Als 1979 Hans Küng die Lehrerlaubnis entzogen bekam, protestierte Karl Lehmann öffentlich – und sprach von einem «rabenschwarzen Tag für die Theologie». Mit dem Zürcher Jesuiten Peter Henrici verstand sich Lehmanns ebenfalls blendend.

Von einem Schlaganfall im letzten Herbst hat sich Karl Lehmann nicht mehr erholt. Er starb am Sonntag im Alter von 81 Jahren und wird nicht mehr mitbekommen, wie die Kirchenreform weiter geht. Also die Reform, die er so lange herbeigesehnt hatte, und die genau vor fünf Jahren an Fahrt gewann - mit dem Amtsantritt von Papst Franziskus.

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