Zum Inhalt springen

Karpi über Aus der «Late-Show» «Satire ist unbequem – und Stephen Colbert ist es auch»

Der US-Fernsehsender CBS stellt nach mehr als 30 Jahren die «Late Show» ein – Satiriker «Karpi» vermutet politische Motive hinter dem überraschenden Aus.

Patrick Karpiczenko

Satiriker, Autor, Regisseur und Filmproduzent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Patrick «Karpi» Karpiczenko (geb. 1986 in Bern) ist Satiriker, Autor, Regisseur und Filmproduzent. In Kunst und Alltag geht er spielerisch mit künstlicher Intelligenz um. «Karpi» ist zunehmend gefragt, wenn es darum geht, Chancen und Risiken der KI auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Als ehemaliger Autor und Sidekick von «Deville» ist er zudem eine Instanz im Late-Night-Genre.

SRF: Wie gross ist der Schock über das plötzliche Aus der «Late Show»?

Patrick «Karpi» Karpiczenko: Gross. Wenn so eine alte Medieninstitution wie die Late Show stirbt – ich meine die zweitälteste Late-Night-Show der Welt – dann sind alle überrascht, verstört und traurig.

Der Fernsehsender CBS nennt finanzielle Gründe für das Ende. Gleichzeitig gehört die Show von Stephen Colbert zu den meistgesehenen. Wie passt das zusammen?

Man weiss natürlich nicht, ob das wirklich die wahren Gründe waren. Late-Night-Shows wurden erfunden, um günstig Sendeslots zu füllen. Es handelt sich also sicher nicht um das teuerste Format. Im Gegenteil: Auch wenn dort 200 Menschen arbeiten, liegt die Vermutung nahe, dass das eine Ausrede ist.

Eine Person sprayt «CBS and Paramount suck» auf den Boden.
Legende: Viele Fans werten das Aus der «Late Show» als Akt der Zensur. CBS-Mutterkonzern Paramount dürfte angesichts eines bevorstehenden Mergers ein wirtschaftliches Interesse an einem guten Verhältnis zur US-Regierung haben. Getty/Spencer Platt

Viele vermuten politische Gründe. Colbert gilt als scharfer Trump-Kritiker ...

Genau. Satire ist unbequem. Stephen Colbert ist unbequem – das ist ihr Reiz. Doch im aktuellen politischen Klima und angesichts der Tatsache, dass CBS vor einer Fusion mit einem anderen Unternehmen steht, die von der Trump-Regierung quasi abgesegnet werden muss, liegt die Vermutung nahe, dass man aus Bequemlichkeit, und um auf Nummer sicher zu gehen, die Sendung getötet hat.

Ist Stephen Colbert vielleicht zu einseitig unbequem? Dass er vor allem Donald Trump aufs Korn nimmt und auf die Republikaner zielt?

Ja, das auch ist der Grund, warum ich Stephen Colbert nicht so oft schaue – obwohl ich Fan bin. Ich war sogar mal live vor Ort, um die Sendung mitzuerleben. Aber er schlägt zu oft und zu krass in dieselbe Kerbe. Das Publikum feiert die politische Meinung mehr als die Witze, die er macht. Für mich als Komiker ist das Format deswegen nicht so reizvoll.

Aus für «The Late Show» bei CBS

Box aufklappen Box zuklappen

Diese Woche verkündete der US-Sender CBS seiner Late-Night-Sendung den Stecker zu ziehen. «The Late Show with Stephen Colbert» werde im Mai 2026 enden.

Es sei eine «rein finanzielle Entscheidung» angesichts der harten Konkurrenz im Late-Night-TV, sagte CBS. Sie hänge nicht mit Zuschauerzahlen, Inhalten oder Vorgängen im Unternehmen zusammen.

Dass CBS dies extra betonen muss, hat Gründe: Colbert zieht in seiner Sendung oft über Donald Trump her – und der CBS-Mutterkonzern Paramount geriet kürzlich ins Visier des US-Präsidenten.

Trump zog vergangenes Jahr vor Gericht. Er warf der CBS-Sendung «60 Minutes» vor, ein Interview mit Kamala Harris manipuliert zu haben. Obwohl US-Medienrechtsexperten das Unternehmen in einer starken Position sahen, stimmte Paramount einem 16 Millionen Dollar schweren Vergleich zu.

Zudem benötigt Paramount die Zustimmung der US-Regierung für einen schon länger ausgehandelten Eigentümerwechsel. Colbert nannte den Vergleich mit Trump in seiner Sendung diese Woche als «eine grosse fette Schmiergeldzahlung».

Es handelt sich also um eine Art demokratische Echokammer?

Ja.

US-Präsident Donald Trump dominiert die Medien nicht nur in den USA, sondern weltweit. Wie wirkt sich das auf Late Shows aus?

Sehr. Anfangs haben wir glaube ich alle von Trump profitiert, auch ich als Satiriker und Medienschaffender. Zwei oder drei meiner erfolgreichsten viralen Videos haben mit Trump zu tun. Alles, was man zu ihm macht, ist virales Gold. Natürlich ist er aber auch eine Gefahr für uns Satiriker. Denn inzwischen hat eine Polarisierung eingesetzt: Früher bemühten sich die Formate, beide Seiten zu zeigen. Heute beziehen viele klar Stellung.

Zwei Männer im Anzug schütteln sich vor einer Studiokulisse die Hände.
Legende: Der Moderator Stephen Colbert (rechts) übernahm die 1993 gestartete «Late Show» vor einem Jahrzehnt von David Letterman. Imago/Zuma Press

Es gibt jetzt auch neue Formate, die probieren, konkret konservative Satire zu machen. Diese läuft in erster Linie auf dem Fox Kanal oder im Internet und sind Versuche, das andere Lager mit Satire zu versorgen.

Was bedeutet diese Polarisierung für die klassische Late Night?

Sie ist weniger wichtig geworden, weil sie nicht mehr alle bedient. Gleichzeitig ist der Late-Night-Monolog zum Mainstream geworden. Ich würde behaupten, er ist die künstlerische Ausdrucksform unserer Zeit. Ein Politiker macht heute eigentlich einen Late Night Monolog, Stand-up quasi. Man nehme Boris Johnson, Trump selbst oder auch Wolodimir Selenski. Der ukrainische Präsident ist auch gelernter Komiker. Die Form der Late-Night ist quasi in unsere Kultur übergegangen.

Und trotz ihrer Ausbreitung steht die Late-Night-Sendung unter Druck.

Das ist natürlich traurig. Auch, dass die Sendung nicht offen gecancelt wird, sondern – wie es scheint – dass man aus lauter Bequemlichkeit oder vor allem Selbstzensur, einfach ein Sprachrohr stumm geschaltet wird. Das macht mich traurig.

Das Interview führte Nicolas Malzacher.

Radio SRF2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.7.2025, 16:30 Uhr. ; 

Meistgelesene Artikel