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Koran für Kinder Damit der Spass nicht dran glauben muss

Für die Kinder, gegen Gewalt: Der «Kinderkoran» will den Kleinen helfen, den Koran zu verstehen und Radikalisierungsprävention leisten.

Wie ein klassisches Kinderbuch sieht er nicht aus, der «Koran für Kinder und Erwachsene» der beiden Religionspädagoginnen Rabeya Müller und Lamya Kaddor. Zu viel Text – auf Deutsch und Arabisch. Und dazu Bilder, die man eher im Museum erwartet: Miniaturen aus dem 12. bis 16. Jahrhundert.

Geschichten findet man zwar in diesem Kinderkoran, den Anfang macht aber eine Frage: «Wer ist Gott»? Dann folgen Kapitel über die Schöpfung, über Paradies und Hölle, über den Umgang mit Mitmenschen – und über vorbildliche Frauen.

Die Autorinnen haben den Koran für ihr Buch neu geordnet. Das ist revolutionär. Denn der Koran kennt keine Kapitel, die Geschichten werden nicht chronologisch erzählt. Man muss sich die Informationen zusammensuchen.

Ein Junge liest den Koran.
Legende: Schwierige Lektüre: Der Koran ist für Kinder meist zu kompliziert. Der Kinderkoran soll da helfen. Getty Images / Jasmin Merdan

Gegenentwurf zur Gewaltpropaganda

«Wir haben versucht, den Koran themenbezogen zu ordnen. Das macht den Zugang zu den Geschichten leichter», erklärt Autorin Rabeya Müller. Kommt hinzu, dass die Autorinnen die Kapitel jeweils einordnen.

Zu Maria – Maryam im Koran – , einer der Protagonistinnen im Kapitel «vorbildliche Frauen», schreiben sie etwa: «Maria ist der Prototyp einer selbständigen Frau. Sie tut für ihr Geschlecht und ihre Zeit merkwürdige Dinge.»

Hier zeigt sich: Mit ihrer Einordnung und mit der Auswahl der Themen beziehen die Autorinnen Stellung. «Flagge zeigen», sagt dem Rabeya Müller. Ihr Kinderkoran soll auch Gegenentwurf sein zu radikalem Gedankengut, das die Kinder und Jugendlichen heute im Internet zuhauf finden. Den Kindern soll bewusst werden, dass jede Übersetzung bereits eine Interpretation ist. Und dass sie diese deshalb hinterfragen sollen.

Deshalb haben die Autorinnen sich auch dafür entschieden, den arabischen Text neben die deutsche Übersetzung zu stellen. Sie haben sich für eine Übersetzung entschieden, die sich eng am arabischen Text orientiert und für Kinder manchmal unverständlich ist.

Die Kinder sollen Spass haben

Der «Koran für Kinder und Erwachsene» ist der erste Kinderkoran im deutschsprachigen Raum. Die Autorinnen haben vieles richtig gemacht, sagt Mouhanad Khorchide, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Dass sie den Koran neu geordnet haben etwa und dass sie den Kontext erläutern. «Ein Kinderkoran muss die Hintergründe erklären, damit die Kinder den Koran einordnen können.»

Mouhanad Khorchide betont zudem: «Ein Kinderkoran muss die Kinder in ihrer Welt abholen.» Die Sprache muss zudem verständlich sein – die Lektüre soll den Kindern Spass machen. «Wer im Koranunterricht einfach arabische Suren auswendig lernt, hat am Schluss nichts verstanden. Und wer nichts versteht, ist anfällig für Propaganda», sagt der Professor.

Er betont deshalb auch: «Ein Kinderkoran soll heikle Themen ansprechen – gerade wenn er sich an ältere Kinder richtet.» Heikle Themen wie der Aufruf zu Gewalt, der im Koran durchaus vorkommt, den Rabeya Müller und ihre Co-Autorin bei ihrem Kinderkoran aber weggelassen haben.

Bücherhinweis

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  • «Der Koran für Kinder und Erwachsene», übersetzt und erläutert von Lamya Kaddor und Rabeya Müller. C.H. Beck Paperback, 2019.
  • Hamideh Mohagheghi, Dietriche Steinwede: «Was der Koran uns sagt. Für Kinder in einfacher Sprache». Patmos, 2010.

Ein neues Genre mit Wachstumspotential

«Nur wenn die Kinder verstehen, in welchem Kontext diese Verse stehen, sind sie auch gewappnet gegen falsche Interpretationen», sagt Mouhanad Khorchide. Ein guter Kinderkoran kann so auch einen Beitrag leisten zur Radikalisierungsprävention.

Zurzeit sind Kinderkorane noch selten. Im deutschsprachigen Raum gibt es neben dem «Koran für Kinder und Erwachsene» nur noch einen weiteren. Doch das dürfte sich bald ändern, glaubt Mouhanad Khorchide. Eine erfreuliche Entwicklung, von der auch die Musliminnen und Muslime in der Schweiz profitieren können.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 22.3.2020, 8.30 Uhr

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