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Kritik am IOC Warum twittert das IOC ein Plakat aus der Nazizeit?

Ein Tweet des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sorgt für Aufruhr: Er zeigt ein Nazi-Plakat der Olympischen Spiele 1936. Warum spielt das IOC mit Symbolen des Nationalsozialismus? Aus Dummheit, sagt der Historiker Christian Koller.

Christian Koller

Historiker

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Christian Koller ist Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich und seit 2014 Direktor des Schweizerischen Sozialarchivs.

Er forscht unter anderem zu Nationalismus, Faschismus und Sportgeschichte.

SRF: Der neueste Stein des Anstosses ist die Abbildung eines Olympiaplakats für die Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen. Es stammt vom Grafiker Ludwig Hohlwein, der das visuelle Erscheinungsbild des Dritten Reiches geprägt hat. Was genau ist stossend an diesem Plakat?

Christian Koller: Das Plakat selbst zeigt einen Skifahrer, der in den Himmel schaut und die olympischen Ringe auf dem Bauch hält. In der unteren Bildhälfte wird auf diese Olympischen Spiele 1936 in Deutschland hingewiesen. Das ist als solches nicht problematisch.

Kritisch sind zwei andere Punkte: Das eine ist die Person des Grafikers Ludwig Hohlwein, der schon vor 1933, vor der Machtübernahme durch die Nazis für sie aktiv gewesen war, NSDAP-Mitglied wurde, nach 1945 politisch belastet war und ein Berufsverbot erhielt.

Illustration Mann mit Olympischen Ringen auf T-Shirt
Legende: Der Tweet vom 11. Dezember sorgte für Aufruhr. @Olympics / Twitter

Das andere ist natürlich der Anlass, für den hier geworben wird, nämlich für die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen. Hier konnte sich das Nazi-Regime der internationalen Öffentlichkeit präsentieren und für sich selber werben.

Dahinter steckt die Lebenslüge, dass man Sport und Politik voneinander trennen könne.

Wie schätzen Sie diese Publikation des Plakats, diesen Auftritt des Internationalen Olympischen Komitees ein? Ist das einfach Unbedarftheit oder ein bewusst gesetztes politisches Statement?

Es ist einfach Dummheit. Dahinter steckt aber eine Lebenslüge, die von den Sportverbänden seit 100 Jahren gepflegt wird: dass man Sport und Politik voneinander trennen könne.

Es gibt noch ein problematisches Symbol: den Fackellauf. Er wurde bei Olympischen Spielen in der Neuzeit erstmals von den Nationalsozialisten 1936 in Anlehnung an die Antike aufgenommen und prominent inszeniert. Der Fackellauf wird heute noch durchgeführt. Ist er noch politisch korrekt?

Das Problematische ist wiederum, wenn man diesen Fackellauf von 1936 als Vorbild hinstellt. Der olympische Fackellauf hat eine lange und interessante Geschichte. Es gibt auch andere olympische Fackelläufe, die man mehr in den Vordergrund rücken könnte.

Es wurden etwa 1948 bei den ersten Olympischen Spielen nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisch verschiedene Akte vollbracht, die eine Friedensbotschaft transportieren sollten. Dieser Fackellauf ist nicht per se diskreditiert. Aber man muss ihn in seiner Geschichte betrachten.

Das Thema Sport und Nationalsozialismus ist schon seit Jahrzehnten in der sporthistorischen Forschung präsent.

Gibt es in der Sportgeschichte eine Aufarbeitung des Nationalsozialismus und auch darüber, wie das IOC jeweils mit der Machtelite in den Austragungsorten der Olympischen Spiele umgeht?

Das Thema Sport und Nationalsozialismus ist gerade wegen diesen Olympischen Spielen von 1936 ein Thema, das schon seit Jahrzehnten in der sporthistorischen Forschung präsent ist.

Inzwischen gibt es fast zu jedem deutschen Fussballklub irgendeine Studie, wie sich der während des Nationalsozialismus verhalten hat. Auch die internationalen Kontexte, etwa die nicht sehr erfolgreich Boykottbewegung, die es gegen die Olympischen Spiele 1936 gab, sind sehr gut erforscht.

Im Zusammenhang mit jüngeren Olympischen Spielen und der Zusammenarbeit von IOC und den jeweiligen politischen Eliten dieser Länder wird es dann etwas spärlich, was die Forschung betrifft. Es gibt einiges zu den Olympiaboykotten während des Kalten Krieges, insbesondere 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau.

Für die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges sind Studien dünn gesät. Hier fliessen aktuelle Diskussionen mit ein. Forscht man über die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008, gelangt man relativ rasch auch zu den bevorstehenden Olympischen Winterspielen.

Das Gespräch führte Sabine Bitter.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 14.12.2021, 17:10 ; 

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