«Wenn ich könnte, würde ich nur noch Sakralbauten erstellen», sagt Mario Botta. Kirchen, Klöster und Kapellen sind für ihn ein Gegenentwurf zu den Bauten, in deren Innern es um Konsum geht.
Als Architekt aber sei er ein Auftragsempfänger. Aufträge für Sakralbauten gäbe es leider nur wenige.
«Vielerorts wird gedankenlos zugepflastert»
Darum baute Botta auch Konsumtempel wie zum Beispiel das Casino von Campione d’Italia. Das grösste Casino Europas ist mittlerweile bankrott. 500 Menschen verloren die Arbeit. Mario Botta sagt bitter: «Die Auftragsgeber konnten nicht genug kriegen. Campione d’Italia ist Ausdruck unserer degenerierten Kultur.»
Wer mit Mario Botta durchs Tessin reist, konstatiert seinen bitteren Tonfall. «Man lässt vielerorts gedankenlos die Gegend zupflastern», sagt er. Er spricht von architektonischen Sündenfällen, die so in der Deutschschweiz bestimmt nicht passiert wären. Paradebeispiel dafür: die Gegend rund um die Einkaufszentren bei Grancia.
«Die Architektur neuer Gebäude muss sich in die schon bestehende Landschaft und deren Architektur einfügen», betont Mario Botta. Aus diesem Grund müsse er als Architekt viel reisen und vor Ort sein, wo er baut. «Ich muss den Geist des jeweiligen Ortes spüren.»
Der Mensch muss den Raum kontrollieren können
Als Architekt hinterlasse er immer auch etwas von seinem eigenen Geist, sagt Mario Botta. So gesehen erfahre er durch seine Arbeit ein bisschen Unsterblichkeit.
Er bezeichnet sich selber nicht als gläubig. «Ich glaube an die Architektur», sagt Botta, «und ich bin sehr glücklich, dass ich diesen nicht einfachen, aber wunderbaren Beruf ausüben darf.»
Viele Menschen fühlen sich in seinen Bauten, besonders seinen Sakralbauten, wohl – weil er dem «Faktor Mensch» Rechnung trägt. Bottas Sakralbauten sind schlicht gehalten. Klare Strukturen und der ausgeklügelte Einsatz von Lichtquellen sind sein Erfolgsrezept.
Mario Bottas Überlegungen dazu: Das menschliche Hirn findet sich einfacher zurecht, wenn die Umgebung nicht überladen ist. Wir fühlen uns wohl, wenn wir uns in einem Raum zurechtfinden.
Noch gibt es kein Botta-Kloster
Der 75-jährige sagt, er fühle sich am wohlsten, wenn er arbeite. «Ich kann nicht anders.» Er arbeite an sechs Tagen die Woche zehn Stunden. Arbeit sei für ihn Medizin. Nachts arbeite er nie, dann schlafe er tief. Regelmässig bekomme er in seinen Träumen Besuch von Architekten.
Sein Lebenstraum wäre es, ein Kloster zu konstruieren. Ein Kloster fehlt noch in der langen Liste von sakralen Botta-Bauten.