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Portärt von Mascha Alechina.
Legende: Mascha Alechina macht mit politischen Aktionen nach wie vor auf Missstände in Russland aufmerksam. Keystone

Mascha Alechina von Pussy Riot «Ich lasse mich nicht von der Angst leiten»

Mascha Alechina wird 2012 mit ihren Mitstreiterinnen von Pussy Riot schlagartig weltbekannt. Die Lagerhaft in Sibirien konnte ihren Willen nicht brechen. Im Buch «Tage des Aufstands» teilt sie ihre Erfahrungen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Aktivistin Mascha Alechina wurde 2012 mit ihren beiden Mitstreiterinnen von «Pussy Riot» zu zwei Jahren Haft verurteilt.
  • Alechinas Wille zur Revolte ist ungebrochen. Sie hat ihrer Erfahrungen im Buch «Tage des Aufstands» gesammelt.
  • Gerade bei den Rechten der Frauen beobachtet Alechina, wie in Russland das Rad der Zeit zurückgedreht wird.

Mascha Alechina ist klein, hat hellblaue Augen, trägt einen kurzen schwarzen Rock und eine dunkle Baskenmütze auf dem halblangen, wellig-dunkelblonden Haar. Sie kommuniziert mit Entschlossenheit und Scharfsinn: «Die Revolte steckt in uns. Es gibt immer eine Möglichkeit aktiv zu sein und zu kämpfen», sagt sie resolut.

Als Mitglied der feministischen Aktivisten-Kunst-Gruppe Pussy Riot hat Mascha Alechina 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem «Punk-Gebet» gegen Putin und die russisch-orthodoxe Kirche viel Aufsehen erregt. Zusammen mit Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch wurde sie zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.

Die drei Pussy Riot-Aktivistinnen auf dem Weg in den Gerichtssaal.
Legende: Mascha Alechina (r.) und ihre beiden Pussy-Riot-Mitstreiterinnen werden am 17. August 2012 in den Gerichtssaal geführt. Keystone

Ungebrochener Kampfgeist

Die Strafhaft hat den Willen zum Kampf der mittlerweilen 28-Jährigen nicht gebrochen. Das kommt in ihrem soeben veröffentlichten Buch «Tage des Aufstands» zum Ausdruck.

«Wir sind verpflichtet, Russland zu verändern», schreibt sie. «Russland hat ein furchteinflössendes Gesicht. Unheimlich darin zu leben, unmöglich es zu verlassen.»

Buchhinweis

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Mascha Alechina: «Tage des Aufstands». Ciconia ciconia, 2017.

«Immer mehr politische Gefangene»

Mascha Alechina lässt sich von niemandem den Mund verbieten. «Wir stecken derzeit in einer tiefen sozialen Krise – ein wahres Desaster: Wir haben immer mehr politische Gefangene, immer mehr Menschen verlassen Russland wegen drohender Festnahmen und Propaganda.»

Sie zieht an ihrer Zigarette und nimmt einen tiefen Atemzug. «Ich lasse mich nicht von der russischen Staatsmacht einschüchtern. Denn gerade jetzt sind wir gefordert.»

Auch Gesang kann Protest sein

Gerade jetzt seien Proteste und Aktionen so wichtig. «Damit meine ich jede Art des Protests, jede Form von Kunst, ob es nun Gesang, eine Aktion, ein Film oder ein Bild ist», fügt sie hinzu.

Eine ihrer letzten Aktionen war im sibirischen Jakutsk im August 2017. Dort hatte sie mit Olga Borisowa für die Freilassung des inhaftierten ukrainischen Filmemachers Oleg Sentsov demonstriert.

Protestaktion in Sibirien

Er ist zu 20 Jahren Haft wegen angeblichen Terrorismus verurteilt. «20 Jahre Haft in Sibirien kommen dem Tod gleich», sagt Alechina.

Doch der eigentliche Grund für Sentsovs Verhaftung: Er war Mitglied der Protestbewegung «AutoMaidan» und gegen die Annexion der Krimhalbinsel durch Russland.

Maskiert haben Alechina und Borisowa an einer Brücke in Jakutsk ein grosses Transparent mit der Aufschrift «Free Sentsov» («Freiheit für Sentsov») ausgerollt und farbige Nebelkerzen gezündet. Nach einigen Stunden in Polizeigewahrsam kamen die zwei Pussy-Riot-Mitglieder wieder frei.

Dominanz des Patriarchats

«Die Stimmung in Russland wird immer frauenfeindlicher. Die Rechte der Frauen werden zunehmend mehr eingeschränkt», kritisiert Alechina.

Die Propaganda zielt auf traditionelle Familienwerte und verbreitet ein erzkonservatives Frauenbild. «Die Stimmen gegen Abtreibung werden immer lauter. Den Frauen wird das Recht genommen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden», kontert sie.

Rad der Zeit zurückgedreht

Alechina wird nachdenklich. «Dabei war Russland vor 100 Jahren im Zuge der Februarrevolution eines der ersten Länder, das feministische Ideen proklamierte», erklärt sie.

Doch das sei nur ein kurzer Augenblick in der russischen Geschichte gewesen. Danach habe Stalin diese fortschrittlichen Ideen mit seinem roten Terror zunichte gemacht.

Vor Ort und unbequem bleiben

Die Aktivistin denkt nicht daran, Russland zu verlassen. Hier ist ihre Heimat. Hier wird sie gebraucht.

«Ich glaube fest daran, dass ich etwas gegen die Regierung machen kann. Ich lasse mich nicht von der Angst leiten. Wenn du stark sein willst, dann schaffst du das.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 16.11.2017, 11.29 Uhr.

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