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Menschheit am Ende Kollapsologie – Letzer Weckruf für unsere Zivilisation

Jeder Hitzesommer und jeder milde Winter befeuert die These der Kollapsologen: Der Zusammenbruch der industriellen Gesellschaften sei nicht mehr weit.

Kollapsologen sehen ein düsteres Ende nahen: Unsere Lebensweise wird bedroht durch den Klimawandel und die Zerstörung der Artenvielfalt. Dazu kommen Risiken wie weitere Finanz- und Wirtschaftskrisen und die Endlichkeit von Rohstoffen wie Öl, Erdgas oder Kohle. Die Covid-19-Pandemie ist nur ein weiteres Glied in einer Ereigniskette, die in naher Zukunft zum Zusammenbruch führen wird.

Den einen, plötzlichen Crash erwarten die Kollapsologen nicht. Vielmehr brechen nach und nach einzelne Systeme zusammen, was zum Untergang unserer Zivilisation führen könne. Das bedeutet nicht, dass die Menschheit von heute auf morgen ausgelöscht wäre, sondern dass die gegenwärtige Lebensweise nicht aufrechterhalten werden könnte.

Der Kollaps geschieht noch in diesem Jahrzehnt

In Frankreich gehen Anhänger der sogenannten Kollapsologie vom Schlimmsten aus. Der bekannteste Kollapsologe und Vordenker der Bewegung ist der französische Agrarwissenschaftler und Autor Pablo Servigne. Er prognostiziert einen grösseren Zusammenbruch der industriellen Gesellschaften beziehungsweise den Kollaps der «thermo-industriellen Gesellschaft» sicher vor 2030.

Pablo Servigne

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Pablo Servigne ist ein französischer Agraringenieur, Autor und Redner. Der 42-Jährige ist bekannt als Wortschöpfer und Vordenker der «collapsologie».

In seinen Forschungen beschäftigte er sich mit dem Verhalten und der Ökologie von Ameisen, zuerst in Französisch-Guayana, später in Brüssel. Hieraus schöpfe er seine Leidenschaft für die Mechanismen der gegenseitigen Hilfe.

Er schreibt Artikel und Bücher in Zusammenarbeit mit einem dichten Netzwerk von Forschern, gibt Konferenzen und Schulungen. Interviews mit ihm werden auf YouTube millionenfach angeklickt.

Sein Buch «Comment tout peut s’effondrer» («Wie alles zugrunde gehen kann»), geschrieben mit dem «Komplexitätsforscher» Raphaël Stevens, wurde 2015 in Frankreich zum Bestseller.

Anzeichen dafür sieht er mit dem Erreichen der «Tipping Points». Sind diese ökologischen Kipp-Punkte erreicht, kann die kleinste Störung grösste Schäden anrichten. Dazu gehören etwa die Gletscherschmelze oder die Abholzung und Brände der Urwälder.

Servignes Buch «Comment tout peut s’effondrer» («Wie alles zugrunde gehen kann») wurde in Frankreich zum Bestseller. Seine Ansage: Wir müssen uns auf den Kollaps vorbereiten, anstatt so zu tun, als wäre es immer noch fünf vor zwölf.

«Glückliche Kollapsologen»

Unter den Kollapsologen gibt es auch jene, die dem vermeintlichen Weltuntergang mit einem Lächeln entgegengehen: Sie nennen sich «collapso heureuse», «glückliche Kollapsologen». Es gibt eine Facebook-Gruppe mit rund 30'000 Mitgliedern in Frankreich und einen Schweizer Ableger mit rund 300 Mitgliedern.

Ein Globus im Gras, ein Fieberthermometer zeigt über 40° an.
Legende: Kollapsologen finden sich mit dem Ende ab und bereiten sich auf die Zeit danach vor. imago images / Christian Ohde

Glücklich nennen sie sich, weil sie die Kollapsologie nicht als apokalyptischen Glauben sehen, sondern als «Austausch von Informationen über dieses Imaginäre». Statt Panik oder Rückzug sind Aktionen gefragt.

Der Verein Triticum fördert beispielsweise die Reproduktion von alten Getreidesorten, die an das zukünftige Klima angepasst sein sollen. Auch Energie-, Lebensmittel- und Wasserautonomie gehören zur psychologischen Vorbereitung auf eine ungewisse Zukunft.

Der Faszination der Apokalypse

Die Vorstellung, dass die Welt einst – oder auch schon bald untergehen könnte, diese Vorstellung ist tief verwurzelt in der westlichen Kultur. Im letzten Buch des Neuen Testaments: Die Offenbarung des Johannes, besser bekannt als die Apokalypse. Sie prophezeit das Ende der Welt.

So sehen andere Bewegungen das Ende der Zivilisation

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Die Kollapsologen sind nicht allein mit der Beschwörung des Untergangs.

  • Die Bewegung “Voluntary Human Extinction Movement” tritt für das freiwillige Aussterben der Menschheit ein. Für unseren blauen Planeten mit seinen Tieren, Pflanzen und Ökosystemen sei der Mensch eine Plage. Keine Kinder mehr, keine Pläne, keine Träume. Je schneller wir weg seien, desto besser. Nach uns die Sintflut. Carpe diem statt Panik.
  • Ganz anders die Bewegung «Extinction Rebellion». Sie rebelliert gegen das Aussterben der Menschheit und fordert eine Klimapolitik, die dieses verhindern soll. In Frankreich haben sie eine Beschwerde gegen den französischen Staat eingereicht wegen «Klima-Untätigkeit» und «Gefährdung des Lebens von Kindern».
  • Die Naturalisten reden von fünf Massensterben, logisch folge darauf auch ein sechstes. Selbst die Dinosaurier fielen einem solchen zum Opfer

Man schrieb den mittelamerikanischen Maya die Vorhersage des Weltuntergangs zu, der Ende 2012 hätte stattfinden sollen. Aus dieser Weltuntergangsberechnung entstand kurzerhand der Beginn eines neuen Zyklus.

Am Ende wird alles gut - oder?

Schreckensszenarien, die Angst einjagen oder mutlos machen? Oder erst recht Mut machen, das Ende noch verhindern zu wollen? Ob in der Antike, im Mittelalter oder in unserer Zeit: Sie wurden enttäuscht. Der Weltuntergang kam nicht – und war er noch so genau berechnet worden.

Noch heute haben apokalyptische Szenarien Konjunktur, gerade im Zuge der Corona-Krise. Doch eines haben alle bisherigen Endzeiterwartungen gemeinsam: Sie erfüllten sich nicht. Nicht einmal die Dinosaurier wurden vollständig von der Erde getilgt: genetisch mit Hühnern verwandt, leben sie weiter unter uns. Die Apokalypse also als ultimative Utopie?

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 22.11.20, 11:00 Uhr.

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