Das Wichtigste in Kürze
- Rund 2000 minderjährige Asylsuchende sind im letzten Jahr ohne Angehörige in der Schweiz angekommen.
- Weil die Zahl der unbegleiteten Minderjährige in der Schweiz in den letzten beiden Jahren sprunghaft angestiegen ist, testen die Bundesbehörden mit einem Pilotprojekt, wie diese besser betreut werden können.
- NGOs begrüssen das neue Betreuungskonzept. Sie kritisieren aber die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in den Bundeszentren.
Manche fliehen vor Krieg, Armut oder Verfolgung. Andere werden von ihren Familien alleine in die Schweiz geschickt, in der Hoffnung auf Arbeit und eine bessere Zukunft: Kinder und Jugendliche, die ohne Angehörige in die Schweiz kommen.
Die Bundesbehörden haben für sie einen Namen: UMA, kurz für unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Die Zahl dieser UMA ist in den letzten beiden Jahren sprunghaft angestiegen.
Jugendliche besser betreuen
«Weil wir im vergangenen Jahr mit sehr viel mehr UMA konfrontiert waren, als in den Jahren davor, suchten wir nach einem klaren Vorgehen bei ihrer Unterbringung», sagt Roger Lang. Er ist Chef des Empfangs- und Verfahrenszentrums des Bundes (EVZ) in Basel.
Seit anfangs Juli läuft hier, und in zwei weiteren Bundeszentren in Zürich und Losone, ein Pilotprojekt des Staatssekretariats für Migration (SEM). In diesen Bundeszentren verbringen die UMA die erste Zeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz.
Wie ein Jugendlager
Bis Ende 2018 erprobt das Bundeszentrum in Basel das neue Betreuungskonzept mit 15 Jugendlichen, so viele wie auch in Zürich. Für Losone gibt es keine Zahlen.
In Basel sind die Jugendlichen in einem eigenen Haus untergebracht, in zwei grösseren Wohnungen. «Man kann sich das wie in einem Jugendlager vorstellen», erklärt Roger Lang.
Deutschkurse und Singlehrerin
Wie in einem Jugendlager gibt es von Montag bis Freitag ein fixes Tagesprogramm: «Am Vormittag finden eher kopflastige Dinge statt, etwa Schulunterricht, Deutschkurse oder Gesundheits-Prävention. Der Nachmittag gilt der gemeinsamen Freizeitgestaltung, zum Beispiel Sport.» Auch eine Singlehrerin unterrichtet in Basel.
Sozialtherapeuten kümmern sich von morgens bis abends um die Gruppe. «In der Gruppe werden die Jugendlichen auch mit Werten wie Anstand und Rücksicht vertraut gemacht», sagt Lang.
«Eine gute Entwicklung»
NGOs und Beobachtungsstellen begrüssen das Pilotprojekt des Bundes. «Wir halten es für eine gute Entwicklung, dass die Situation der Kinder und Jugendlichen dadurch stärker in den Fokus gerät», sagt Marianne Hochuli, Leiterin der Fachstelle Migrationspolitik bei Caritas Schweiz.
Auch Christoph Braunschweig ist erfreut, dass sich bei der Betreuung der UMA etwas tut. Er ist Sozialarbeiter und Fachperson in der Sektion «Unbegleitete Minderjährige» beim Internationalen Sozialdienst Schweiz (SSI).
Neue Verantwortung
Kritisch sehen beide eine Änderung im Asylwesen, die ein solches Pilotprojekt erst notwendig macht: Durch das revidierte Asylgesetz können Asylsuchende künftig bis 140 statt 90 Tage in den Empfangszentren des Bundes untergebracht werden. Das gilt auch für Minderjährige. Dadurch kommen sie möglicherweise erst später in kantonale Wohnheime oder Pflegefamilien.
Unbegleitete Minderjährige bleiben also länger in der Obhut des Bundes. «Das ist eine drastische Veränderung: Der Bund erhält dadurch mehr Verantwortung für eine sehr verletzliche Gruppe», gibt Christoph Braunschweig zu bedenken.
Doch ist er zuversichtlich: «Wir begrüssen, dass der Bund seine neue Rolle anerkennt, mit dem Pilotprojekt Erfahrungen sammelt und Vorbereitung trifft, um dieser Verantwortung Rechnung zu tragen.»
Kein Ort für Minderjährige?
Marianne Hochuli zweifelt, ob die Bundeszentren eine altersgerechte Betreuung sicherstellen können: «Die Bundeszentren sind in unseren Augen kein Ort, wo unbegleitete Minderjährige unterkommen sollten», sagt sie.
Jugendliche sollten in ihren Augen möglichst rasch in den Kantonen untergebracht werden: «Pflegefamilien und Wohnheime wie der Lilienberg in Zürich sind sicher jugendgerechter.»
Denn wichtig für unbegleitete Minderjährige ist laut Hochuli ein soziales Netz – Konktakt zu gleichaltrigen Einheimischen, Sporttrainer, Mentoren. «Diese Kinder und Jugendliche sind oft traumatisiert. Sie brauchen Bezugspersonen, mit denen sie über ihre Wünsche und Ängste sprechen können.»
Positive Reaktionen
Auf die Erfahrung solcher kantonaler UMA-Wohnheime stütze man sich beim Pilotversuch ab, sagt Roger Lang vom EVZ Basel.
Um eine Bilanz über den Erfolg des neuen Betreuungsangebots zu ziehen, sei es zur Zeit noch zu früh. Von Seiten der Jugendlichen und Betreuer erhalte er nach den ersten Wochen gute Rückmeldungen. Und auch er ist zufrieden: «Um es etwas salopp auszudrücken: Es ‹verhebet›.»