Kommt nach dem Tod noch etwas – oder ist es dann aus und vorbei mit uns? Es soll Menschen geben, die Antworten darauf haben. Menschen, die dem Tod nahe waren, ihm aber wieder entwischten.
Ein solcher Mensch ist zum Beispiel der Musiker Bo Katzman. Er hatte als 20-Jähriger nach einem schweren Motorradunfall eine Nahtoderfahrung.
Seither ist er überzeugt, dass der Tod das Beste sei, was uns passieren kann. Denn zu Ende sei damit gar nichts: Stattdessen erlebte Katzman in diesem Moment komplette Zeitlosigkeit.
Aber was ist eine Nahtoderfahrung? Diese Frage treibt auch die Neurowissenschaft um. Einer davon ist Olaf Blanke. Mit seinem Team forscht er in einem Genfer Ableger der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) seit über 20 Jahren am Phänomen. Dabei fokussiert er sich auf «ausserkörperliche Erfahrungen».
Das sind jene Erfahrungen, die man in Nahtodberichten als Schweben über dem eigenen Körper bezeichnet: Der Patient liegt auf dem Bett im Operationssaal und sieht sich plötzlich von oben. Er schwebt quasi an der Decke und beobachtet das Geschehen.
Mit virtueller Realität an der Decke schweben
Genau dieses Erlebnis versuchen Forscherinnen und Forscher wie Blanke künstlich herzustellen. Seit 2021 haben sie dafür einen Roboter, der eine solche Erfahrung mithilfe virtueller Realität simuliert.
Die Erfahrung als Probandin ist verstörend: Die optische Täuschung und das damit verbundene undefinierbare Gefühl, aus dem eigenen Körper zu fahren und wieder in ihn eingefädelt zu werden, überfordert.
Noch Stunden später ist einem irgendwie übel. So richtig echt fühlt sich das Ganze trotzdem nicht an. Denn schliesslich sieht man nur ein virtuelles Abbild von sich selbst.
Illusion oder Beweis fürs Jenseits?
Es werden aber nicht nur Experimente mit Simulatoren gemacht. Olaf Blanke begann seine Forschung, als er bei einer Epilepsiepatientin zufällig durch die Stimulation eines bestimmten Hirnareals eine solche ausserkörperliche Erfahrung auslösen konnte.
Da stellt sich die Frage: Sind solche Nahtoderlebnisse bloss eine Überstimulation gewisser Hirnareale und damit auch eine Störung des Bewusstseins? Oder liefern sie doch einen Beweis dafür, dass es nach dem Leben weitergeht?
Experimente mit Nahtodpatienten
Natürlich können wir das nicht wissen. Aber es wurden Studien durchgeführt, die endgültige Ergebnisse liefern wollten. Eine stammt vom Team um den Kardiologen Sam Parnia. Das Team hat in einigen Räumen, wo Wiederbelebungsmassnahmen durchgeführt wurden, Bilder so aufgehängt, dass der Nahtodpatient sie nur sehen konnte, wenn er tatsächlich an der Decke schwebte.
Die Ergebnisse waren allerdings enttäuschend. Denn die einzigen Probanden, die nach der Wiederbelebung von einer ausserkörperlichen Erfahrung berichteten, waren ausgerechnet in Räumen, die keine solchen Installationen hatten.
Letztlich bleiben zwei Hypothesen nebeneinander bestehen: Einerseits, dass es eine unsterbliche Seele gibt und diese nach dem Tod weiterlebt, wie dies Bo Katzman beschreibt. Andererseits, dass das Ganze nur eine Illusion des Gehirns darstellt und jegliche Spekulation, die darüber hinausgeht, Humbug ist.
Tod verliert Schrecken
Zwar lassen sich die beiden Ansichten vorerst nicht vereinbaren. Soziologen wie Ina Schmied-Knittel sehen aber in der ersten Hypothese einen Vorteil für die psychische Gesundheit. Mit Nahtoderfahrungen sei oft Hoffnung verbunden.
Für viele Patientinnen und Patienten verliere der Tod dadurch auch seinen Schrecken. Im Fachjargon nennt man das «Psychohygiene». Entsprechend gelte es auch, diese Erfahrung als solche anzuerkennen, meint Schmied-Knittel.
Aber ist das nicht einfach Wunschdenken? Und welche Konsequenzen hat das? Skeptiker wie der Philosoph Nikil Mukerji befürchten einen sektiererischen Missbrauch solcher Interpretationen. Sie mahnen zu wissenschaftlich gesicherten Aussagen.
Sicher ist: Für Menschen, die solche Erfahrungen machen, sind diese echt und in den allermeisten Fällen – wie bei Bo Katzman – lebensverändernd.