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Am 1. Januar tritt Rita Famos ihre Stelle als EKS-Präsidentin an: Was will sie anpacken?
Aus Blickpunkt Religion vom 01.01.2021. Bild: KEYSTONE/Ennio Leanza
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Neue EKS-Präsidentin Sie mag die Macht, aber mit Mass

Ab Januar steht mit Rita Famos erstmals eine Frau an der Spitze der reformierten Kirche. Sie tritt ein schweres Erbe an.

Eine Macherin, sei sie. Eine Teamplayerin. Eine Frau, die bewiesen habe, dass sie vermitteln und durchgreifen könne. So klang es kurz vor der Wahl von Rita Famos zur neuen Präsidentin der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS.

Rita Famos ist somit die Nachfolgerin von Gottfried Locher, der im Frühling unter viel Getöse und nach Vorwürfen der Grenzverletzung gegenüber Frauen zurückgetreten war.

Rita Famos ist das Gegenprogramm zu Gottfried Locher – aber noch viel mehr. Bittet man Famos, sich vorzustellen, sagt sie als erstes, sie sei Pfarrerin. Sie suche Herausforderungen. Und sie habe mit ihrem Mann «im Jobsharing» zwei Kinder aufgezogen.

Dann zählt sie die Ochsentour auf, die sie durchlaufen hat in der reformierten Kirche: Theologiestudium, Pfarramt im Zürcherischen Uster, heute Verantwortliche für die Seelsorge in Spitälern, Gefängnissen, Asylunterkünften bei der Zürcher Landeskirche und damit Chefin von 100 Angestellten.

Rita Famos sass im kantonalen Kirchenparlament, sie leitete die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen der Schweiz und sie war im Rat des Kirchenbundes, der Vorgängerorganisation der EKS.

Was ist die EKS?

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Die EKS ist die Nachfolgeorganisation des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK). Seit dem 1. Januar tritt die evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) als Dachorganisation der 24 reformierten Landeskirchen und der evangelisch-methodistischen Kirche auf.

Pragmatische Vermittlerin

Dabei hat sie es geschafft, viele Unterstützerinnen und Unterstützer um sich zu scharen und sich wenig Feinde zu schaffen. Denn Rita Famos ist auf Ausgleich bemüht, beschreibt sich selbst als Pragmatikerin.

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Rita Famos: Wie politisch soll die Kirche sein?
aus Tagesgespräch vom 06.11.2020. Bild: Keystone
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Sie ist Mitglied im Rotary-Club, weil sie «die Anregungen von Leuten schätzt, die sich ausserhalb des kirchlichen Umfelds bewegen». Sprich: Rita Famos will sich aus ihrer «Bubble» lösen. Sie beobachtet mit Sorge, dass «Extrempositionen zunehmen und die Menschen immer weniger fähig sind zum Austausch».

Hier könne die Kirche ein Vorbild sein, so Famos: «Wir haben in der Kirche Mitglieder aus allen Schichten, mit den verschiedensten politischen und theologischen Ansichten.» Die Kirche biete einen «geschützten Raum, wo Menschen mit unterschiedlichen Meinungen miteinander im Gespräch sind».

Machtmensch mit eingebauten Sicherungen

Vermitteln und versöhnen: Das wird eine Hauptaufgabe sein von Rita Famos als neue Präsidentin der EKS. Denn der Abgang von Gottfried Locher hat Spuren hinterlassen. Doch Rita Famos will auch führen, will Macht. «Macht hat einen viel zu schlechten Ruf», betont Rita Famos. «Macht heisst in Bewegung setzen und das ist für mich positiv.»

Damit ihr die Macht nicht zu Kopf steige, habe sie Sicherungen eingebaut: «Ich habe meinen Freunden gesagt, sie sollen mich kritisch beobachten, damit ich nicht die Bodenhaftung verliere.»

Wille zur Gestaltung

Als Führungspersönlichkeit brauche es Gelassenheit, die Bereitschaft, Kritik einzustecken. Und den Willen zur Gestaltung. In der reformierten Kirche EKS will Rita Famos die Digitalisierung anpacken. Sie will sich um die Jugendlichen kümmern, und sie fragt sich: «Wie können wir Mitglieder an unsere Kirche binden, in einer Zeit, in der das nicht mehr selbstverständlich ist?»

Seit Jahren kämpfen die reformierten Landeskirchen in der Schweiz mit Mitgliederschwund. Dennoch glaubt Rita Famos, dass die reformierte Kirche auch in Zukunft eine wichtige gesellschaftliche Kraft bleibt.

Das habe sich ihr gezeigt, als sie in Halle in der damaligen DDR studiert habe: «Eine kleine unterdrückte Kirche war plötzlich eine grosse dynamische Kraft für die Wende. Kirche kann also unabhängig von den Mitgliederzahlen relevant bleiben.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Blickpunkt Religion, 1.1.2021, 08:08 Uhr

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