Wo stand der erste Weihnachts- oder Christbaum? Der älteste urkundliche Nachweis stammt aus Sélestat im Elsass, Frankreich: Eine erhaltene Rechnung datiert auf den 21. Dezember 1521. Sie belegt die Lieferung mehrerer Bäume, die als Weihnachtsbäume öffentlich aufgestellt werden sollten. Auch andere Orte der Region, etwa im Schwarzwald, beanspruchen Ursprungsorte des Weihnachtsbaums zu sein. Aber Sélestat hat die Nase vorn.
Warum ausgerechnet Sélestat? Das hat mit der Reformation zu tun. Anfang des 16. Jahrhunderts kamen Theologen aus ganz Europa ins damalige Schlettstadt zum Studium. Darunter Reformatoren. Gut möglich, dass sie die Christbaum-Tradition in Europa verbreiteten. Die Reformatoren wollten nämlich beliebte Volksbräuche evangelisieren und christianisieren. So erfand Martin Luther auch das «Christkind», das zu Weihnachten Geschenke beschert. Als Konkurrenz zum «katholischen» Bischof Nikolaus, der am 6. Dezember Geschenke bringt. Ähnlich christianisierte dann der «Christbaum» auch verbliebene «heidnische» Bräuche rund um den Baum. Dem Volksglauben nach sollte das Grün im dunklen Winter böse Geister und Gefahren abwenden. Nun ist es Christus, der das Böse besiegt.
Was macht denn einen Weihnachtsbaum zum «Christbaum»? Ein echter Christbaum steckt voller Theologie! Einmal als «Lebensbaum»: Das frische Tannen-Grün mitten im kalten Winter, wenn alles abgestorben scheint, symbolisiert den Sieg des Lebens über den Tod. Genau das feiert ja das Christentum. Vom «Baum des Lebens» erzählt aber schon die Paradiesgeschichte in der Bibel. Daran erinnern rote Äpfelchen am Baum. Sie werden später zu roten Christbaum-Kugeln. Auch Zuckerstangen am Baum haben theologischen Geschmack: Sie verweisen traditionell auf die Reinheit Jesu Christi und sein Opfer für die Menschen. Die Lebensbaum-Symbolik funktioniert auch ganz universell, also auch bei nicht-christlichen Menschen. Im Sinne von Naturspiritualität ist dieser Aspekt gerade wieder sehr im Kommen.
Wie kommt es, dass der Weihnachtsbaum – als Nadelbaum – so global ging? Das mag mit Prince Albert (1819–1861) zu tun haben. Der Ehemann von Queen Victoria stammte aus Deutschland. Weihnachten ohne Baum, das ging für Albert gar nicht. 1840 brachte er den ersten Weihnachtsbaum nach England. Und etablierte die Tradition. Mit der kolonialen Expansion des British Empire im 19. Jahrhundert «eroberte» dann auch der nadelige Weihnachtsbaum Afrika, Nordamerika, Indien und selbst arabische Länder.
Und wann wanderte der Baum von draussen in die gute Stube? Das geschieht erst so richtig im 19. Jahrhundert. Im Bürgertum will man es jetzt auch so schön haben wie Prince Albert und Queen Victoria. Ein reich geschmückter Baum mit Geschenken dran (zuerst hingen kleine Geschenke, vor allem Süsses, am Baum) und später darunter (die Geschenke wurden einfach zu gross) – das wird mehr und mehr zum Statussymbol. Und zum Symbol für das bürgerliche Familienidyll. Der glitzernde Baum symbolisiert nun Wohlstand, Harmonie, Liebe und Familie. Das macht den Weihnachtsbaum auch ohne jedes christliche Framing anschlussfähig.