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Zwei Ärzte operieren
Legende: Gechlechtsangleichende Eingriffe sind heute sicherer und effizienter. (Foto einer Operation im Spital Lyon, Frankreich). Getty Images
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Operation von Mann zu Frau «Wir konnten das Leiden dieser Menschen deutlich verkürzen»

Geschlechtsangleichende Eingriffe von Mann zu Frau waren früher sehr riskant. Inzwischen haben sich die Techniken verfeinert. Die Schweiz hat dabei von Thailand gelernt.

«Traum Frau Coco» hiess der Film, der 1991 im Schweizer Fernsehen für Aufsehen sorgte. Der Dokumentarfilmer Paul Riniker erzählt darin die Geschichte der «Transsexuellen» Coco, die sich während der 18 Monate dauernden Dreharbeiten einer Geschlechtsoperation unterzog. Um eine Frau zu werden, musste Coco vier schwere Eingriffe überstehen. 1998 beging sie Suizid.

Pietro Giovanoli, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Zürich, erinnert sich an die ersten «Geschlechtsumwandlungen» vor 25 Jahren: «Es war damals eine grosse Chirurgie, riskant und für die Patienten äusserst schmerzhaft», sagt Giovanoli.

Audio
Bessere Operationstechniken für Transgender
aus Rendez-vous vom 06.06.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 24 Sekunden.

20 Jahre später sind Geschlechtsangleichungen zwar noch immer komplex, aber das Gebiet habe sich weiterentwickelt: «Wir können heute mit verbesserten Operationstechniken den ganzen Aufwand und das Leiden dieser Menschen deutlich verkürzen», sagt Giovanoli.

Die Patienten würden zudem umfassend betreut – von Hormonspezialisten, Pflegeexpertinnen, Logopäden oder Psychologinnen.

Lehre in Bangkok

Der Dreh- und Angelpunkt einer Geschlechtsangleichung aber ist und bleibt die Chirurgie. Zürich arbeitet heute nach der sogenannten Preecha-Methode, einer Operationstechnik aus Thailand, wo die Transgender-Chirurgie schon früher viel fortgeschrittener gewesen ist als in Europa.

Video
Das Geschlecht der Seele – Transmenschen in der Schweiz (1/2)
Aus DOK vom 25.01.2018.
abspielen. Laufzeit 50 Minuten 55 Sekunden.

Der Zürcher Chirurg Richard Fakin verbrachte fast ein halbes Jahr in Bangkok, um die Methode zu erlernen. Und so geht’s: Penis und die Hoden werden amputiert, aus dem umgestülpten Penisschlauch und der leeren Haut des Hodensacks entstehen die weiblichen Genitalien.

Routine macht Operation sicherer

«Wir rekonstruieren die kleinen Schamlippen, die grossen Schamlippen, Klitoris, Harnröhrenausgang und die Vagina», erläutert Fakin. Viereinhalb Stunden dauert der Eingriff heute.

Anstelle der Penishaut kann auch ein Stück Darm für die Vagina verwendet werden. In beiden Fällen sind die Patientinnen nachher orgasmusfähig. Die Operation sei mittlerweile sehr sicher, in den letzten beiden Jahren hätten sie keine grösseren Komplikationen mehr gesehen, sagt Richard Fakin.

Symposium zu Geschlechtsangleichung

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Am 8. Juni findet am Unispital Zürich ein Symposium über die zeitgemässe geschlechtsangleichende Medizin, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen mit Gästen aus dem In- und Ausland statt.

Der Chirurg ist überzeugt: Es ist die Übung, die’s ausmacht. «Ich operiere mittlerweile dreimal so viel, wie früher im Universitätsspital operiert worden ist», sagt Fakin, «das heisst mit Erfahrung und Routine konnten wir die Abläufe deutlich sicherer machen und verkürzen.»

Keine Rekonstruktion von Penissen

Etwa 100 Personen jährlich unterziehen sich in der Schweiz einer Geschlechtsangleichung. Mit steigender Tendenz. Ausser Zürich bieten auch die Universitätsspitäler Basel und Lausanne sowie einige Privatkliniken solche Eingriffe an. Neben der Operation von Mann zu Frau gibt es auch die umgekehrte Anpassung – von Frau zu Mann.

Die Maskulinisierung mit Hilfe von Hormonen und Brustverkleinerung gelingt meistens gut, genitale Operationen hingegen werden in der Regel nicht gemacht. Bisherige Resultate mit rekonstruierten Penissen seien kümmerlich, die Komplikationen dagegen sehr gross, erläutert Pietro Giovanoli. Das USZ verzichte auf diese Prozeduren, da es sich um experimentelle Chirurgie handle.

Acht Fragen zu Transgender

Hat Transgender etwas mit Sexualität zu tun?

Nein, Transgender hat nichts mit Sexualität oder der sexuellen Orientierung zu tun.
Wie viele Transmenschen leben in der Schweiz?

Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Forscher gehen davon aus, dass einer von 200 Mensch transgender ist. Das wären in der Schweiz etwa 40'000 Menschen. Andere zählen lediglich Menschen, die eine geschlechtsangleichende Operation machen. Das sind in der Schweiz ein paar Tausend.
Kann man seinen Vornamen ändern lassen?

Ausser beim amtlichen Verkehr ist es in der Schweiz erlaubt, einen selbst gewählten Vornamen zu nutzen. Zudem kann jeder eine Namensänderung beantragen. Die Voraussetzungen und die Kosten sind je nach Kanton unterschiedlich.
Kann man sein amtliches Geschlecht ändern?

Um das amtliche Geschlecht zu ändern, muss man beim erstinstanzlichen Zivilgericht eine Klage einreichen. Die Voraussetzungen und die Kosten sind je nach Gericht unterschiedlich.
Werden Transpersonen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert?

Transmenschen sind häufiger und länger von Arbeitslosigkeit betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung. In der Schweiz liegt die Arbeitslosenquote bei Transmenschen bei rund 20 Prozent.
Ist Transgender eine Krankheit?

In den beiden wichtigsten internationalen Klassifikationen der Krankheiten wird «Transsexualität» als «Geschlechtsidentitätsstörung» (ICD-10) bzw. «Geschlechtsdysphorie» (DSM-V) bezeichnet. Dies dürfte sich aber mit den laufenden Revisionen der jüngst verabschiedeten Version 7 der Behandlungsrichtlinien, der «World Professional Association for Transgender Health» (WPATH) ändern. Dann wird sie nicht mehr als psychische Störung aufgeführt werden.
Wie viele geschlechtsangleichende Operationen gibt es schweizweit?

In der Schweiz werden die Zahlen nur unzureichend erfasst. Laut der Fachstelle Trans Zürich werden die chirurgischen Eingriffe in Zürich, Basel und Lausanne angeboten. Schätzungen gehen von ca.100 geschlechtsangleichenden Operationen pro Jahr aus. Viele Transmenschen, vor allem Transfrauen, lassen sich aus Qualitätsgründen im Ausland operieren, vor allem in Thailand.
Sind Transmenschen Suizid gefährdet?

Die Suizidalität ist sehr hoch. Laut Transgender Network Switzerland gibt es keine genauen Zahlen für die Schweiz. Doch aus den USA, England oder Irland ist bekannt, dass 40 bis 80 Prozent aller Transmenschen bereits einen Suizidversuch unternommen haben. Nicht das Trans-Sein an sich macht lebensmüde, sondern die Diskriminierung, Angst vor Zurückweisung, körperlicher und physischer Gewalt. Zudem lässt die Verweigerung von medizinischen und rechtlichen Massnahmen die Situation aussichtslos erscheinen.

Quelle: Transgender Network Switzerland

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