Das Wichtigste in Kürze:
- Wider Erwarten hat der Papst die Amtszeit des umstrittenen Churer Bischofs Huonder um zwei Jahre verlängert .
- Eine Begründung liefert er nicht , es wird spekuliert. Die naheliegendste Begründung: Der Papst will Zeit gewinnen.
- Ein anderer Grund könnte sein, dass der Papst ihn als Brückenbauer zur ultrakonservativen Pius-Bruderschaft behalten möchte.
Eigentlich sollten bei Erzbischof Gullickson in Sachen Huonder-Nachfolge die Fäden zusammenlaufen. Als Nuntius ist er der Botschafter von Papst Franziskus in der Schweiz. In verschiedenen Gesprächen hatte der Erzbischof stets betont, er werde sich für eine Bischofswahl im Jahr 2018 stark machen.
Doch nun wurde selbst Gullickson überrascht: Papst Franziskus hat entschieden, dass der wegen seines konservativen Kurses und autoritären Führungsstils umstrittene Bischof von Chur zwei weitere Jahre im Amt bleibt.
Über den Grund kann nur spekuliert werden. Der naheliegende Versuch lautet: der Papst wollte Zeit gewinnen.
Ist es eine Notlösung?
Für die Huonder-kritische Pfarrei-Initiative Schweiz steht fest: «Der Papst und seine Berater sind sich bewusst, dass die Nachfolgeregelung in Chur eine heikle Sache ist. Mit den Vorschlägen konnte man sich nicht anfreunden; leider auch nicht mit unserem Vorschlag, einen Administrator zu ernennen.»
Die Verlängerung von Huonders Amtszeit sei demnach kein «Vertrauensbeweis» des Papstes, sondern eine Notlösung gewesen – um Zeit zu gewinnen.
So plausibel die Deutung des Zeitgewinns auch klingt – nicht jedem leuchtet sie ein. «In zwei Jahren wird das Bistum Chur in derselben Situation sein wie jetzt. Der Papst löst das Problem nicht, er vertagt es nur», meint ein Kirchen-Insider, der nicht genannt werden will.
Brückenbauer zur Petrus- und Pius-Bruderschaft?
Sowohl Kritiker als auch Verbündete von Huonder sind überrascht, wie klar das Ende terminiert ist: Es ist von Ostern 2019 die Rede. Als der einstige Bischof von Sitten, Norbert Brunner, seinen Rücktritt einreichte, liess der Papst ihn erst mal zappeln – obwohl Brunner erkrankt war und das Amt nicht mehr ausführen wollte. Das Ablaufdatum Ostern 2019 hingegen gibt dem Bistum Klarheit und Planungssicherheit.
Beobachter vermuten in der Aussage Huonders, er freue sich auf die Möglichkeit, «noch nicht abgeschlossene Arbeiten innerhalb des Bistums sowie auf anderer Ebene weiterzuführen und zu begleiten», einen Schlüssel für Franziskus’ Motivation.
Huonder hat enge Kontakte zur Petrus- und zur Pius-Bruderschaft, zwei ultrakonservativen Bewegungen, die die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils infrage stellen und etwa die Messe auf Latein feiern.
Bischof Huonder in Rom bestens vernetzt
Seit Jahrzehnten liegen die Bruderschaften mit der römisch-katholischen Kirche im Clinch. Der Papst könnte ein Interesse daran haben, den bestens vernetzten Huonder hier als Brückenbauer einzusetzen.
Auch könnte der Papst die Problematik im Bistum Chur anders einschätzen als die Kritiker vor Ort – und weniger Dringlichkeit sehen. Bischof Huonder dürfte sein Netzwerk genutzt haben, um auf diese Entscheidung hinzuwirken.
Manche unken gar, nicht der Papst, sondern das Bistum Chur spiele auf Zeit: um in den nächsten zwei Jahren noch möglichst viel Huonder-Programm umzusetzen und sich besser zu positionieren.
Keine Spekulation, sondern Fakt ist, dass sich Vitus Huonder und Papst Franziskus hin und wieder sehen – deutlich öfter als andere Bischöfe. Von daher dürfte auch Franziskus’ Huonder-Bild von dem abweichen, das dessen Kritiker im Bistum Chur seit Jahren malen. Hätte der Papst nämlich gar kein Vertrauen mehr zu Huonder, hätte er ihn wohl kaum in die Verlängerung geschickt.
Sendung: Radio SRF 1, Regionaljournal Ostschweiz, 4. Mai 2017, 6.30 Uhr.