Die eine wird auf der Strasse immer wieder angesprochen und gefragt, wie viel Sex mit ihr koste. Die andere wird gelobt, wie gut sie doch integriert sei – obwohl sie in der Schweiz geboren wurde. Der dritten rät man, sie solle keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so liessen sich Probleme vermeiden.
Es sind Geschichten wie diese, die das Buch «I will be different every time» versammelt. Geschichten über subtilen und weniger subtilen Rassismus. Die Frauen, die diese Geschichten erzählen, sind unter anderem eine Politikerin, eine Sachbearbeiterin, eine Anwältin, eine Stylistin und eine Musikerin.
Schwarzen Frauen eine Bühne bieten
Myriam Diarra ist Bewegungstherapeutin und eine der drei Herausgeberinnen des Buches. Die Idee hinter dem Projekt beschreibt sie so: «Wir wollten die Stimmen schwarzer Frauen ins Licht rücken, um zu zeigen, was sie zu unserer Gesellschaft beitragen.» Um kommenden Generationen zu zeigen: Es gibt Vorbilder, schwarze Frauen, mit denen sich junge Mädchen identifizieren können.
Myriam Diarra ist selbst in Biel geboren. Als Tochter einer Schweizerin und eines Maliers war sie in den 1970-er Jahren eines der ersten schwarzen Kinder in der Stadt, sie wurde beschimpft und körperlich angegriffen.
Schwarze Frauen werden immer wieder in Schubladen gesteckt
Auch die anderen beiden Herausgeberinnen sind eng mit Biel verbunden – deshalb widmen sie sich in ihrem Buch ausgerechnet dieser Stadt. Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach wohnte hier lange, die US-amerikanische Künstlerin und Poetin Fork Burke lebt in Biel.
Die porträtierten Frauen sind Bekannte und Bekannte von Bekannten – sie alle haben ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Eines aber kennen sie alle: dass sie von anderen in eine Schublade gesteckt werden. «Es gibt sehr viele Vorurteile über schwarze Frauen», sagt Myriam Diarra, «zum Beispiel darüber, wie sie sich angeblich im Bett verhalten.»
Sich immer und überall vorbildlich verhalten
Rassismus und Sexismus vermischen sich hier. Mehrere der Frauen im Buch beschreiben, dass sie sich so fühlten als repräsentierten sie immer eine Gruppe: eben die DER Schwarzen oder DER schwarzen Frauen. Und dass sie deshalb versuchten, sich immer und überall vorbildlich zu verhalten, um die Vorurteile der Menschen nicht zu bestätigen. Gegen dieses Schubladen-Denken wendet sich der Titel des Buches: «I will be different every time» – also «Ich werde immer unterschiedlich sein».
Tatsächlich nehmen die Frauen im Buch ihre Hautfarbe sehr unterschiedlich wahr: Während sich die einen explizit als «schwarz» identifizieren, berichten andere, dass sie sich seit ihrer Ankunft in der Schweiz «schwarz gemacht» fühlten – weil sie sich vorher gar nicht so wahrgenommen hätten.
Lassen sich Kategorisierungen ganz vermeiden?
Wie aber kann ein Buch über schwarze Frauen dieser Verschiedenartigkeit gerecht werden? Und zwar so, dass die porträtierten Frauen eben nicht auf ein Klischee von «schwarzen Frauen» reduziert werden?
Myriam Diarra gibt zu: «Das ist ein Dilemma. Den Ausdruck ‹schwarze Frauen› müssen wir verwenden, damit klar wird, wovon wir sprechen. Damit reproduziert man natürlich Kategorien. Aber wir tun das, um diese Kategorien zu kritisieren.»
Die Herausgeberinnen entlarven diese Klischees und zeigen: Schwarze Frauen sind genauso unterschiedlich wie alle anderen Menschen auch. Und ihre Geschichten unbedingt lesenswert.