Zum Inhalt springen

Reaktionen auf Pilotstudie Das sagen die Bistümer zu den neuen Missbrauchszahlen

Die Veröffentlichung der Pilotstudie zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz hat ein breites Echo ausgelöst. Die Reaktionen im Überblick.

Das ist der Auslöser: Am Dienstag hat eine neue Pilotstudie der Universität Zürich das Ausmass des Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz offengelegt und 1002 Missbrauchsfälle von 1950 bis heute identifiziert. Die Untersuchungen wurden im Auftrag der römisch-katholischen Kirche durchgeführt, setzen die Verantwortlichen nun jedoch unter Handlungsdruck.

Bischof Büchel räumt Fehler ein: Der St. Galler Bischof Markus Büchel hat am Mittwoch auf die Ergebnisse der Studie reagiert und Fehler eingeräumt. Die Untersuchungen enthalten zwei Fälle aus St. Gallen. Einer von ihnen betrifft schwerwiegende Übergriffe in einem Kinderheim in Lütisburg, die bis 1988 andauerten. Der andere Fall betrifft einen Priester, dem seit 2002 sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Gegen ihn wurde nun Strafanzeige erstattet. Obwohl beide Fälle vor allem in die Amtszeit seines Vorgängers fielen, sei es das Versäumnis von Bischof Büchel gewesen, dessen Ermittlungen nicht zu überprüfen.

Ein älterer Mann in langem Gewand steht in einem langen, leeren Flur, Er hält seine Hände im Schoss gefaltet.
Legende: Ein Abt im Zentrum der neuerlichen Vorwürfe: Gegen Jean César Scarcella läuft derzeit eine kirchliche Voruntersuchung. KEYSTONE / Olivier Maire

Abt von Saint-Maurice lässt Amt ruhen: Jean César Scarcella, Abt von Saint-Maurice, hat angekündigt, sein Amt vorübergehend niederzulegen, bis die Ermittlungen gegen ihn abgeschlossen seien. Ihm werden sexuelle Übergriffe sowie Vertuschung vorgeworfen. Gegen ihn ermittelt der apostolische Sonderermittler Joseph Bonnemain. Dieser wurde vom Bischofskonzil, der für solche Vorwürfe zuständigen Instanz in Rom, eingesetzt.

Hintergründe zur Pilotstudie

Box aufklappen Box zuklappen

Im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz, dem Zusammenschluss aller römisch-katholischen Landeskirchen und den Ordensgemeinschaften untersuchten Historikerinnen und Historiker unter der Leitung von Monika Dommann und Marietta Meier der Universität Zürich zum ersten Mal die Archive der römisch-katholischen Kirche in der ganzen Schweiz. Besonderes Interesse galt den sogenannten Geheimarchiven der Bistümer sowie den Archiven der kirchlichen Fachgremien für sexuelle Übergriffe.

Von Mai 2022 bis April 2023 verschafften sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Überblick über den Zustand der Archive, wie es um die Quellenlage steht, in welchem Ausmass Akten vernichtet oder Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht oder aufgearbeitet wurden.

Bistum Lugano gelobt Besserung: Das Bistum Lugano stellte eine «definitive Veränderung» in Aussicht. Laut der Pilotstudie der Historikerinnen und Historiker wurden dort in den 1990er-Jahren zahlreiche Dokumente vernichtet. Zudem sei das Archiv lange Jahre von ungeschultem Personal geführt worden. Es sei für das Bistum Lugano unmöglich, die Schuld in dieser Sache nicht anzuerkennen, sagte der apostolische Administrator des Bistums Lugano, Alain de Raemy. Den Opfern müsse Gerechtigkeit widerfahren. Als konkrete Verbesserung stellte de Raemy die Schaffung einer unabhängigen Meldestelle für sexuelle Übergriffe in Aussicht. Die heute bestehende Kommission für solche Fälle ist Teil des Bistums Lugano selbst.

Plädoyer für einen Kulturwandel: Der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Charles Morerod, hat die Studie der Universität Zürich als «erschütternd» bezeichnet. Der Bericht zeige einmal mehr den schlechten Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kirche. «Wir setzen uns für einen Kulturwandel innerhalb der Kirche ein», versicherte Morerod. Ihm selbst wird laut SonntagsBlick vorgeworfen, nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle nicht eingeschritten zu sein. Er soll den betreffenden Priester sogar befördert haben. Gegenüber den Medien wollte Bischof Morerod die Vorwürfe nicht weiter kommentieren, da die «Fakten den zuständigen Organen», d.h. der staatlichen und kirchlichen Justiz, vorgelegt worden seien. In die Ermittlungen wolle er sich nicht einmischen.

Rücktrittsangebot in Sitten: Bischof Jean-Marie Lovey hat jegliche Kenntnis und Vertuschung von Missbrauchsfällen bestritten. Insgesamt soll es in der römisch-katholischen Kirche im Wallis seit 2015 19 Fälle gegeben haben. Sollten ihn die Ermittlungen persönlich belasten, stellte er seinen Rücktritt in Aussicht. «Ich habe kein Dokument aus diesem Bereich in den Archiven vernichtet», versicherte er den Medien.

SRF 1, Tagesschau, 12.9.2023, 19:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel